Ajalooline traditsioon: Peetri.

1905. aasta Peetri kihelkonnas


Peetri kihelkonda puutuvad sündmused sel aastal on küll väärt, et sellele anda pisut enam tähelepanu. Nimetamiseväärt on kevadel ja suvel mõisates toimunud streigid ning sügisel Päinurme ja Vaali nurgas Hans Schultzi tegevus. Kaunis erapooletu ülevaate annab kiriku kroonikas leiduv kirjeldus 1905. a. kohta.
"Über die revolutione Bewegung in Kirchspiel St. Petri im Jahre 1905. Bericht an das Ezll [?]Consistoriums."
Bis emgefahr Mitte November habe ich einer Sozial-revolutionäres Bewegung im Kirchspiele nicht wahrgenommen. Allerdings war im Frühling 1905 die Meinung unter den Deputatisten eine unruhige, doch durch Fragen wirtschaflicher Naturerzeugt. Er handelte sich dabei um Verbesserung der materiellen Lagen der Landarbeiter. In Essenberg wurde ein Streik insaniert (Märkused minu poolt. Rich[ard] Johanson, Huuksi ja Kareda mõisate (Essenberg) selleaegne ülemvalitseja eitab 1905. a. Karedal streigi olemasolu.), der aber im laufe eines Tages mühelos beigeführt wurde, nach dem der Anstifter entlassen worden war. Fraglos haben denn die Octobervorgange in Reval auch hier die Gemüther beeindruckt und es wird wielleicht im Stillen Schon hier u. dort die Keim zu den spätere Bewegungen gelegt worden sein. Doch herrschte damals zeimlich allgemein die Ansicht, dass die Esten des Petrischen Kirchspiels mich niemals Auscheitunges (!) würden zu schulden kommen lassen. Gegen die seit 17 October im Drohinde Banden gefahr, wurde von den Eingpfarrten eine Selbstschutz ins Leben gerufen, dem beizutraten auch die Bauerwirthe ihre Bereitwilligkeit erklärten. Ebenso schienen die Hofsknechte der meisten Güter entschieden die parteischer Herrschaft halten zuwollen.
Ungefähr in dieser Zeit begannen die Brand Stiftungen. In Pallo brannte es zweimal, in Orrisaar wurden 3 Seunen [Saunen] in einer Nacht angezündet, Persönliche Racheakte waren aus zahllosen, viel mehr waren die Brandstiftungen die ersten Merkmale dafür dass die sozial-revolutionäre auch in unsere Gegend eingeseht hatte wenn gleich im Verborgen. Dieselbe bestätigte ein anonymer Drohbrief dem ich erhielt, der die bevorstehende Ausrottung der Deutchen in Ansicht stellte, und auch mich mit dem Tode bedrohte.
Der Brief (unpfangen im Weissenstein) war unterschreiben: mässu seltsi liikmete poolt välja antud.
Die offen Kundige revolutionäre Bewegung, die sich schnell über weitere Kreise durchdehnte, datiert erst seit jenen politischen zusammenkünflen in den Gemeindehäusen, welche den zweck hatten, Deputierte für den Dorter allestnischen Congress zu wählen. Diese Versammlungen trügen noch einen verhältnismässig harmlosen Charakter. Ich bin überzeugt, dass damalas noch Niemand, ausgenommen wielleicht einige Rädelsführer, eine Ahnung hatten, dass damit der Anhang einer Revolution gemacht worden war. Handelte es sich nur darum, dem estnichen Volk die Möglichkeit zugeben, seine politischen Wünsche an die Öffentlichkeit zubringen. Aber nach dem die Dorpater Congress Theilnehmer zurückgekehrt waren, wurde die Bewegung immer mehr eine revolutionäre. Dieselben waren zum Theil Anhänger der Uudiseid Partei und brachten das revolutionäre Programm dieser Partei unter das Volk. Die einsicht[s]volleren Deputierten der Tõnnissoon’schen Richtung waren gar bald bei seite gescheben und zogen sich zurück. So war es in der
Orrissaarschen vereinigten Gemeinde, welche die nördliche Hälfte des Kirchspiels umfasst. Es fanden nun mehrere Mitings in iritigen Gemeindehause statt, die eine inner revolutionären Charakter annahmen. Die Skala der Revolution in diesem Theil des Kirchspiels war der Lehrer der Kirrisaarschen ministerillen Schule Joh. Meier, eine Sozialdemokrat und D[e]utschen Hasser, der sich selbst vorsichtig zurückhaltend, doch seine Creaturen, den Oethelschen Schulmeister Johan Ibrus, den Kodasemschen Schulmeister Perandi und den Vodjaschen Schneider Niemann die Erregung immer weiter zusteigern wusste. Auf den Verhandlungen, die auch im Oethelschen und Kodasemschen Schulhäuser gehalten wurden, wurde der „Uudised” Programm berathen und erläutert, revolutisonäre Lieder wurden nach Kirchlichen Melodien gesungen, die Zahlungen an dem Pastor wurden für abgeschafft erklärt, schliesslich wurden die alten Gemeindebeamten auf ungesetzlichem Wege durch Neue ersetzt. In der Oetelschen Schule wurde das Kaiserbild von der Wand genommen und auf den Ofen geworfen. Ein gleiches sollte in der Kodasemschen Schule geschehen, wurde aber durch das Dazwischentreten zweiene Wirte verhindert. Dort hatte auch eine Versammlung der Schulmeistern, stattgefunden über die Neugestatlung des Schulwesens zuberathen hatte. Von ca 17 Schulmeistern stimmten nur 5 (bei verdachter Stimmabgebe) gegen die einfürung eines blos facultativen Religionsunterrichts in den Volk[s]schulen. In der geschilderten Weise entwickelten sich die Dinge im unter Orrisaar vereinigten Gebieten.
Einen anderen Ursprung und Verlauf nahm die Bewegung in südlichen Theile St. Petri’s in den zur Koikschen Wolost gehörenden Gemeinden. Dort ist die Bewegung von Auswärts hereingezogen und genährt worden. An einem Sontags, eine Woche vor dem Dorpater Congress, kam der Schneider Schulz aus Wahlhof, der „Praesident des Wahlhofschen Republik” in Begleitung von 20 Anfängern mit rothem Fahne und Schärpen in das Assiksche Gebiet gegangen, versammelte die dortige Leute in Schulhause und begann unter Gesang und Vorlesung eines Schriftabschites aus der Bibel seine sozialistisch-revolutionären Ideen auszustreuen. Er liess von den Anwesenden ein Papier unterzeichnen, das offenbar mit seiner Wahl zum Deputierten im Zusammenhang stand. Die bethörten Leute unterschrieben in beträchtlicher Anzahl. Offenbar in der Meinung, dass die Unterschrift einen rechtmässigen Anspruch auf die bevorstehende Landausteilung gerühre. Auch die wahrhaft brawen, christlich gesinnte Personen unterzeichneten. Die Koiksche Gemeinderverwaltung verweigerte diesem Document die amtliche Beglaubigung. Sie hat sich überhaupt nicht dazu hergegeben, von den Deputierten wegen. Anteil zunehmen und hat die ihr zugegangenen diesbezüglichen Schriftstücke der gemeinde nicht vorgelegt. Ihr correctes verhalten hat daher dem Schreiber u. Gemeindeälteslen viel Feindschaft und Unannehmlichkeiten ein zutragen. Danoch wählten einige Gebiete sich auf eigene Hand ihn Deputierten, die aber fernerhin keine Rolle gespielt haben. Zu einer Neuwahl der Gemeindebeamten ist in Koikschen Gemeindehause nicht gekommen, die Absicht hat vorgelegen, ist aber, ich weiss nicht, wodurch, vereitelt worden. Der ganze Süden des Kirchspiels (Wolost Koik) wäre von jegliche revolutionäre Bewegung frei geblieben (es gab dort keine revolutionäre Intelligenz und keine sozial-demokratische Bruchstätte) wenn nicht der obengenannte Schneider Schulz dort thätig gewesen wäre. Er hielt das Folgen in Assik, Koik, Hukas, Silms Versammlungen ab und gewann schnell einen grossen Anhang nebst Helfers helfern. Besonders am Hofe Assik hatte er seine getreuen, von denen kurz vor Neujahr 4 Mann (der Meier Futtermeister, Stallknecht und ein Knecht) in Weissenstein standrechtlich erschossen worden sind. (Keiner von ihnen gehörten zu St. Petrischen gemeinde) – dass die bisher ruhigen jeder Politik fernstanden Theil unbeschulten Leute in diesem Theil des Kirchspiels sich so schnell von rechtem Wege abbringen lassen konnten, kann nur damit erklärt worden dass jener Schneider ein hervorragendes agitatorisches genie war. Er begann seine Mietings jedesmal mit einer Schriftvorlesung, auf die er seine Anwendung folgen liess z[um] B[eispiel] gab er zu Matthias 5,5 die Erklärung: wir Esten sind die Sanfmütige, wir haben bis her geduldig die Bedrücknungen durch die Gutsbesitzer getragen, nun soll uns das Land gehören (Matteuse evangeelium pt. 5, s[alm] 5 „Õndsad on tasased, sest nemad peavad maa pärima.”) Seine „Andachten” ersetzten Weiber in Extase. Pastore u[nd] „Lugijad” verblassten vor diesem von „Geiste Gottes” erfülltene Mann. Er verstand es alle Kräfte der Seele seiner Zuhörer auf die vorliegende Sache zu conzentrieren, die Begeisterung und Leidenschaft zu entwachen. Lüge und betrügerische Vorspiegelungen fanden statt in seines Dienstes. Daher kam es, dass wirklich ordentliche, vernünftige Leute sich seinem Dienst verschrieben für die „Miliz” oder die „Krankenpflege” denn der Kampf gegen das „Schwarze Hundert” oder der „Schutz des Gusthöfe” diente ihm zum Vorwand. So war auch in dieser Gegend die Erregung immer höher gestiegen.
Nur innerhalb des Sarkferschen Wolost blieb es ausserlich ruhig. Hier war nicht agitiert noch organisiert worden. Die Deputanten waren Angfangs Tõnnissons!
Im laufe eines Monats, von Mitte November – Mitte December hatte sich die Stimmung verschlachtert (?). Zunächst war die Haltung den Deutschen besonders den Gutsbesitzern gegenüber eine nur feindseligere geworden. (Die Oetelscheie Leute hatten geäussert: den jungen Herrn müsse man umbringen!) Von einem Zusammengeher der Wirte mit dem Herrn war keine Rede mehr, die Besitzlichen standen allzusehr unter dem Terror Revolutionäre. Die Hofknechte schienen auch nicht zu verlässig zu sein. Die unsinnige Gerüchte cirkulierten und wurden geglaubt. So (schien) es algemein, dass die Petrische Kirche dem 1 Adwent in die Luft gesprengt werde. Die Gutsbesitzern hätten die Kirche unterminiert. Die Ansicht als wären die Feuerschäden von dem Gutsbesitzern veranlasste. Assecuranzbrände, was wird verbreitet Wer diesem Uusinu entgegentrat u[nd] zur Nüchternheit ermahnte, erhielt unfehlbar die Antwort: „Du hälst es mit den D[e]utschen,” oder „Du bist von Deutschen abkauft.”. Dann hatten die politische revolutionäre Ideen schnell an Boden gewonnen. Wer zur Mässigung rieht, war regelmässig ein „Tagurlane”, oder es wurde ihm zugerufen: „Ajagem ta kotti!” Nach dem die Devastation des Harrischen Kreises bekannt geworden war, nach dem berüchtigen (?) Weissensteinscher Markt von 17 October wurde auf einigen Gütern die Ankunft der Banden mit fiebernder Ungedult erwartet, so z[um] B[eispiel] in Oehtel, welches überhaupt das ammeisten compromitierte Gebiet ist. Die immer betrohlicher werdende Situation hatten die Gutsbesitzern veranlasst, ihre Frauen und Kinder nach Reval in Sicherheit zubringen. Während der kritischen Tage vor Weissenstein waren nur Herr v. Gruenewaldts – Sarkfer, Baron Traubenberg – Hukas, Herr W. v. Gruenewaldt – Koik auf ihrem Güter. (Fehlt im Bericht an Consistorium.)
Am I Feuertage hatte die Erregung der Gemüter den höchsten Grad erreicht, wusste man doch, dass am 24 Dec. Abend um ca 7 Uhr der Schneider Schulz aus Wahlhof mit 4 Genossen, nach dem er Nachts zuvor ergriffen, standrechtlich in Mar[ia]-Magdalenen erschossen worden war. Die klühenden Kohlen hatte im Kaltes Wasser strich getroffen, es zischte und zualmte. So wirkte die erschütternde Nachricht auf die Erregten Gemüter. Vor der Kirche Standen gedrängte Gruppen erregelten Gesträuch, manch feindliche Blikk traf auch auf den Wege zum Gotteshause.
Während des Gottesdienstes wurde vor der Kirche einem unbekannten eine Brandrede gehalten gegen Gutsbesitzern und Pastor. Der D[e]utsche Gottesdienst war am Morgen des Tages vom Kirchenvorsteher abbestellt worden (werden?) in der richtigen Erkenntnis des Gefahren denen sich die wenige Herren ausgestzt hätten. Aber der Strafgericht hielt die revolutionar Gesinnten im Bann der Furcht. Das nun folgende energische Einschreiten des Militärs, die in Assik, Koik, Ammuta, Oethel erfolgten. Verhaltungen verbreiteten überall die grösst. Bestürzung Verhaftet wurde aus Assik der Kaufmann Pruli, Mart Palz und die obengenannten 4 getreuen des Schneiders.
In Koik: der Lostveiber Jürri Root, der aber vorläufig auf freie Fuss gesetzt wurde, in Ammuta der Wirt Lepenit, in Kütti der Schmied Siimsen, in Oethel die Bauerbursche: Willibert Bollwerk, Kustas Seire, Alexander Krumberg, die Hauptschuldigen hatten durch die Flucht der verdienten Strafe entzogen. (Fehlt im Bericht.) 3 Schulmeister stellen waren mit einem Male vaccant geworden. Im Assikschen Gebiet übernächtigten die ganze Familien im Walde aus Furcht, um ihren Häusern vom Militär ausgehaben zu werden. Manche entflohen vom bösen Gewissen getrieben, obwohl nach ihnen gar nicht gefahndet wurde. Sinnlos war die revolutionäre Taumel gewesen, sinnlos war die Furcht. Die Erkenntnis, dass die Execution und die verdiente Strafe für die Auflegung gegen die Gottverordnete Obrigkeit sind durfte man bei den in die Bewegung Hineingezogenen nur vereinzelt (verringelt?) finden, bei denen herrschte vielmehr die Meinung, dass die Execution blos aus Willkür beruhende, von den Gutsbesitzern herbeigeführte Racheakt seien.
Am 21 Januar 1906 wurde in der Kirche St. Petri sämtlichen der Orrisaarschen Wolost augehörende männlichen Personen die das 21 Jahr erreicht hatten der Treueid abgenommen. Darauf fand in Kodasemschen Dorf mehrere 100 Schritt von der Kirche entfernt eine Execution statt, angesicht der ganzen versammelten Mannerschar. Es waren 2 junge Kerle (K. Seire u. A. Krumberg), die das Kaiserbild in der Oethelschen Schule beschumpft hatten. Beide waren durch das Kriegsgericht zu je 75 Ruten hiebe verurteilt worden. Offendlich ist damit die revolutionäre Glut völlig erstickt worden u[nd] glüht unter der Asche nicht mehr fort.
Beim Rückblick auf die erregte Zeit muss ich gestehen, dass nur erst später die grosse der Gefahr in der wir schwebten zum Bewusstsein gekommen ist. Es ist festgestellt wieder, dass der offne Antracht für die Feuertage oder die letzten Tage des Jahres vorbereitet gewesen ist. Der Einbruch in das Kirchspiel wäre wahrscheinlich aus Wahlhof über Assik erfolgt. In letzter Stunde hat Gott eingegriffen u. sein Gericht ist über die Missethäter herein gebrochen, als die zum Schleppe ausheben wollten. Dafür kann ihm nicht genug gedankt werden. Psalm 64!! Aber niederbeungendbliebt die an Gewissheit grenzende Unbezeugung, das beim Ausbruch von Unruhen, Glieder der Petrischen Gemeinde mit beteiligt gewesen wäre an Brennen und Blündern. Soweit hat die 20 Jahr an dauernde Russification das Volk gebracht.
Eines persönliche Insulte (?) war ich eines Sontags nachmittages ausgesetzt. Beim verlassen d. Kirche nach einer Trauung wurde ich von einem betrunkenem Schneider Jaan Kleinberg, genannt Sinka Jaan (Auch Tormi Jaan) mit Schmähungen über hänft. Es fielen Ausdrücke wie: „Sa mudane verekoer!”
Am 1 Weihnachtsfeier Tage, Abends versuchten 2 nicht mehr nüchterne Kerle mit Gewalt ins Pastorat dringen. Ich öffnete ihnen schliesslich die Thür, da sie dieselbe sonst möglicher weise eingestossen hätten. Darauf verlangten sie in stürmischer weise Aufklärug über den Vorgang in Mar[ia]-Magdalenen am 24 Dec. Es gelang mir sie zuberuhiegen, vor auf sie sich entfernten Wie mir später mitgeteilt wurde, hatten sie anderswo geäussert den Pastor umbringen zuwollen und zwar mit einem Taschenmesser (!). Nach einigen Tagen erschienen sie wieder u. haten in grosser Angst um Verzeihung, die ihnen gewährt wurde.
Im ganzen habe ich in dieser Zeit 3 Droh- u[nd] Schmächbreife erhalten. Alle waren in Veranlassung meiner Predigten abgefasst worden, in damit ich mich über die Revolution u. dem Folgen geäussert hatte.
K[onrad] v[on] z[ur] Mühlen
P[astor] l[oci]

EKLA, f 200, m 11:1, 95/104 < Peetri khk. – Rudolf Stokeby (1929)

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