
ANDERE TIERE UND NATUREREIGNISSE
Einmal fing ein Fuchs aus einem Fluß einen Krebs und rief ihn auf, um die Wette zu laufen, falls er nicht die scharfen Zähne des Fuchses zu fühlen bekommen will. Dem Krebs war sein Leben lieb und er nahm die schlaue Herausforderung an. Es wurde abgemacht, daß sie auf einen entfernten hohen Berg laufen. Der Fuchs machte sich fertig - die Brust dem Berg entgegen, der Schwanz in die Richtung des Flusses - und rief:
"Bist du fertig, Krebs! Ein Augenblick - und ich gehe!"
Nun hatte der Krebs den guten Rat teuer. Er mußte auf seine Schlauheit hoffen! Er griff mit seinen Scheren an den langen Schwanz des Fuchses und... Vurr! Der Fuchs lief spornstreichs mit einem Zug auf den Berg und kehrte um, um nachzusehen, ob der Krebs immer noch bei dem Fluß ist.
"Herr Fuchs, Sie haben den Wettlauf verloren!" sagte der Krebs, den der Fuchs unwissend auf den Berg getragen hatte. "Ich kam schon vor langer Zeit auf dem Berg an und wartete. Wo bliebst do doch so lange, alter Freund?"
Der Krebs lachte schlau.
Der Fuchs spreizte mißmutig seinen Mund, weil wenn er zuerst auf dem Berg angekommen wäre, hätte der Sieg ihm gehört, dann hätte er den Krebs auffressen dürfen. Nun wollte er sein Versprechen vor dem armen Krebs doch nicht trügerisch brechen. Der Gedanke, daß ihm bei einem solchen Leckerbissen das Nachsehen bleiben kann, machte ihm aber das Wasser im Mund zusammenlaufen. Deshalb sagte er dem Krebs:
"Sei es, wie es ist! Wir wollen zurück zum Fluß laufen und wer zuerst ankommt, der gewinnt und der Wettlauf ist zu Ende."
Der Krebs hoffte wieder auf seine Schlauheit und nahm die Aufforderung an. In der richtigen Zeit griff er wieder heimlich an den Schwanz des Fuchses und der Fuchs lief so schnell, wie er nur konnte, bis er beim Fluß anhielt. Er dachte, daß der Krebs mit ihm immer noch um die Wette läuft. Er drehte sich schnell um, um zu sehen, wo der Krebs gerade ist. Der Krebs ließ sich schnell los. Der lange Schwanz des Fuchses, an dem der Krebs gehangen hatte, war mit der Umdrehung in die Richtung des Flusses gekommen und hing übers Wasser. Der Krebs fiel ins Wasser und kletterte glücklich in seine Höhle.
Der Fuchs aber hatte den Wettlauf verloren und seine vielbewunderte Schlauheit hatte ihn dieses Mal nicht geholfen.
231. Der Fuchs und der Krebs. H II 14, 376/9 (4) < Ambla - Joosep
Freimann (1889). - AT 275 - Der Wettlauf des Krebses mit dem Fuchs, 15 Varianten.

An einem heißen Sommertag schlief ein Hase im Schatten eines Wacholders und wartete, bis es abkühlt, um dann auf Nahrungsuche zu gehen, entweder in den jungen Hafer oder in einen Espenwald. Es kam eine Heuschrecke zu ihm und fing an, mit dem Hasen freundlich zu reden. Als sie schon lange hin und her geredet hatten, sagte die Heuschrecke:
"Laß uns nachsehen, wer schneller auf diesen Berg läuft, du oder ich?"
Der Hase lachte und sagte:
"Das ist ein leeres Geschwätz! In ein paar Augenblicken bin ich dort und warte, bis du ankommst, was wohl eine Stunde oder sogar länger dauern wird."
"Laß uns wetten, daß ich die erste sein werde!" prahlte die Heuschrecke, worauf sie auch wetteten und einen Vertrag schlossen.
Die Heuschrecke fing an zu springen, der Hase aber legte seinen Kopf auf seine Pfoten und dachte: "Laß die Heuschrecke plagt sich mit der Hitze. Wenn sie schon fast auf dem Berg angekommen ist, dann eins, zwei, drei! werde ich vorbeilaufen und zuerst auf dem Berg sein."
Als er so dachte, schlief er aber ein und wurde erst dann wach, als die Heuschrecke rief:
"Hei, Freund Hase! Wer kommt zuerst auf den Berg?"
Schläfrig und mißmutig mußte sich der Hase das Prahlen des winzigen Tieres anhören.
So ist es: Wer langsam und geduldig weiterschreitet, kommt zum Schluß auf das Ziel, wer aber viel bekommen will und viel redet, kann auf derselbsen Stelle bleiben, wo er anfing. Von einem Augenblick werden hundert Jahre.
232. Der Wettläufer. H I 8, 383 (15) < Vastseliina - Jaan Sandra
- Karl Trumm (1896). - AT 275 A - Der Wettlauf des Hasen und der Heuschrecke,
18 Varianten. Vgl. AT 1074.

Die Lefze des Hasen ist entzwei gerissen.
Das Volk sagt, daß ein Igel und ein Hase einmal auf einem Kartoffelfeld um die Wette gelaufen sind. Der Hase lief in einer Furche und der Igel in einer anderen. Der Igel aber nahm seine Frau zu Hilfe, ließ sie am anderen Ende der Furche warten. Sie fingen an, zu zweit zu laufen.
Die Frau rief vom anderen Ende:
"Ich bin schon hier!"
Der Hase war erst auf dem halben Weg.
Er fing an zurückzugehen. Der Igel selbst war wiederum am anderen Ende der Furche geblieben, fing nicht einmal an zu laufen, sondern rief schon:
"Ich bin hier!"
So lief der Hase, bis ihm die Lefze entzwei ging.
233. Der Wettlauf des Igels und des Hasen. ERA II 159, 466 (17)
< Lääne-Nigula, Taebla - Enda Ennist < Mart Koppel, geb. 1863 (1937). - AT 275
A* - 18 Varianten. Eine ostseefinnisch-baltische Redaktion der international bekannten
Märchen AT 275 und 275 A.

Es trafen auf einer Wiese zwei Frösche zusammen. Der eine wischte Schweiß von der Stirn und sagte, er habe am selben Tag furchtbar getanzt.
Der zweite fragte:
"Wo hast du denn getanzt?"
"Das war nicht weit von hier. Ich war auf einem Ball."
"Was ist ein Ball?"
"Du weißt doch, eine Hochzeit. Es gab eine große Hochzeit. Habe ich aber getanzt! Der eine nahm und der andere verließ! Der eine nahm und der andere verließ! Du kannst es selbst fühlen, meine Knochen sind alle schwach. Gut, daß ich endlich mit dem Leben davon kam."
Der Frosch war beim Eggen des Feldes unter der Egge oder zwischen den Zacken der Egge geblieben.
234. Der Frosch unter der Egge. EKRK I 11, 122/3 (42) < Jõhvi,
Kohtla-Järve - Anita Rõõm (1955). - AT 276* - 6 Varianten. Bisher nur in Estland
verzeichnet.

Die Frösche schrien und forderten, daß der Wassergott ihnen einen König geben würde, der über sie Gericht halten würde. Der Wassergott lachte und warf ihnen einen großen Eichenstumpf ins Wasser, dieser sei ihr König. Das Geräusch schreckte die Frösche sehr, sie krochen unter den Schlamm und waren leise, solange der Stumpf auf dem Wasser schwamm.
Als der Stumpf etwas dem Ufer näher geschwommen war und nichts sagte, hoben die Frösche ihre Köpfe und schauten, was der neue König vorhat. Der König schlief. Einige kamen näher. Er schlief immer noch.
Ein hochmütiger Frosch kam ganz nah und wollte auf den Stumpf klettern.
"Er schläft wohl ewig," sagte der Hochmütige. Dann kamen auch die anderen, kletterten auf den Stumpf und lachten über ihren König. Als das Wasser endlich austrocknete, blieb der Stumpf stehen und machte nie eine Bewegung mehr. Alle kletterten auf den Stumpf und sagten:
"Unser König schläft für ewig."
Sie fingen an, zum zweiten Mal den Wassergott zu bitten, dieser solle ihnen einen Richter geben, der nicht immer schläft.
"Na gut," sagte der Wassergott, "wenn ihr denjenigen nicht wollt, der leise und ruhig ist, will ich euch einen anderen geben, dessen Herrschaft streng sein wird.
Er machte den Storch zu ihrem König. Wer jetzt noch seinen Kopf übers Wasser oder aus dem Gras hob, den verschlang der König.
Nun verstecken sich die Frösche überall und laufen weg, aber das hilft nicht. So leise sind sie jetzt! Nur selten hebt jemand seinen Kopf und bereut seine Dummheit, die sie nicht mit dem früheren König nicht zufrieden sein ließ.
235. Der Froschkönig. E 32795/8 (19) < Viljandi, Vana-Võidu -
Hans Maaten (1897). Ergänzungen aus anderen Varianten. - AT 277 - 8 Varianten.
International bekanntes Fabelnsujet. In Estland kennt man auch die Fabel von Ivan
Krylov durch die Übersetzung von Jakob Liiv. Erscheint in Geschichtsbüchern und
Lesebüchern seit Willmann (1782).

Ein Ochse ging über eine Wiese, groß und fett. Auf dem anderen Ufer des Flusses war ein Frosch. Der Frosch sprang dem Ochsen näher. Er kam in die Nähe des Flusses und fragte ihn von der anderen Flußseite:
"Warum bist du so groß?"
"Warum bin ich so groß? Du kannst auch dich so groß blasen! Sauge Luft in dich hinein, so wirst auch du groß!"
Der Frosch fing an, nach Luft zu schnappen und fragte bald den Ochsen:
"Bin ich schon groß?"
Der Ochse sagte:
"Schon etwas größer. Schnappe mehr!"
Der Frosch schnappte und schnappte und fragte mühsam:
"Bin ich schon groß?"
"Noch etwas mehr!"
Der Frosch keuchte und schnaufte, bis er platzte.
Das war kein Märchen, das ist eher wie das Leben... daß der Frosch so gierig ist!
Das ist wie etwas zum Lernen. Der Ochse - er ist der Reichtum, der Frosch aber ist arm. Du kannst Tag und Nacht streben, trotzdem bleibst du arm.
236. Der Frosch und der Ochse. ES MT 247, 45 < Lutsi, Põlda v.,
Jaani k. - August Sang < Meikul Jarošenko, 71 J. und Tekla Jarošenko, 71 J. (1938).
- AT 277 A - Der Frosch und der Ochse, 7 Varianten.

Ein Schaf ging zu dem Krebs, um Wolle zu leihen, der Krebs aber sagte:
"Du bist doch über den ganzen Körper mit Wolle bedeckt wie ein Wollsack. Ich habe nur zwei Haare, die sind wie zwei wollene Haare zwischen meinen Fingern. Und du schämst dich nicht, zu mir zu kommen, um Wolle zu leihen!"
237. Das Schaf will Wolle leihen. ERA II 256, 272 (12) < Helme
- Hans Martin (1939). - Mt** 277 Med - 7 Varianten. Erscheint schon seit Willmann
(1782). Der Text wurde zum ersten Mal im Katalog der estnischen Märchen aufgenommen
(1986).

Ein Mäuschen wollte über den Fluß kommen und fragte einen Frosch, wie sie das tun könnte.
Der schlaue Frosch sagte, daß sie ihr Bein mit dem seinen zusammenbinden solle, dann könne er sie über den Fluß bringen. Sie banden die Beine zusammen. Mit seiner Schlauheit konnte der Frosch die Maus ins Wasser ziehen und ertränken.
Siehe, was ein Frosch mit seiner Schlauheit kann.
238. Der schlaue Frosch und das Mäuschen. KKI MT 42, 27 (11) <
Hargla, Mõniste - Salme Nigol < Juhan Kokk, 79 J. (1948). - AT 278 - Der Frosch
ertränkt die Maus, 7 Varianten. Die Geschichte hat sich wahrscheinlich durch die
älteren Druckschriften verbreitet.

Ein Rabe fing einmal an, eine Ameise zu beschimpfen:
"Du bist doch kein Mann! Du bist nicht besser als ein Knoten im Schnur! Solche wie du könnte ich ein paar Hunderte mit einem Zug auffressen!"
Die Ameise:
"Ich weiß aber schon lange, daß ich stärker bin als du."
Der Rabe:
"Wo steckt in dir diese Stärke? Du bist doch fast gar nichts, nur wie ein kleiner Punkt."
Die Ameise:
"Laß uns zum Schmied gehen. Wir wollen ihn uns aus Eisen solche Stücke schlagen lassen, die genau so groß sind wie unsere Körper: ich bekomme ein Stück, so groß wie ich, du bekommst eins, so groß wie du. Dann wollen wir sie tragen und bald werden wir sehen, wer stärker ist."
Sie gingen zum Schmied und ließen ihn für jeden ein Stück Eisen schlagen. Als die Eisenstücke fertig waren, fingen sie an, sie zu tragen. Die Ameise nahm sein Stück in den Schoß und trug es weg. Der Rabe aber konnte sein Stück nicht einmal von der Stelle bewegen.
Jetzt wurde die Ameise böse und sagte dem Raben:
"Dafür, daß du mich umsonst geschimpft hast, will ich dir einen Streich spielen. Wenn du deine Jungen im Frühling nicht vor dem Georgstag aus dem Nest führst, werde ich ihnen die Augen auffressen!"
So ist die Sache mit dem Raben heute noch. Der Rabe muß immer im Winter in der Kälte Eier legen und brüten, damit er seine Jungen vor dem Georgstag aus dem Nest führen kann.
239. Der Rabe und die Ameise. ÕES EK 101, 103/4 (26) < Pärnu -
aus den Manuskripten von J. H. Rosenplänter (1832). - AT 280 + US - Der Wettkampf
zwischen der Krähe und der Ameise, 5 Varianten. In den europäischen moralisierenden
Geschichten bekannt als ein lehrreiches Märchen mit einem sagenmäßigen Ende. Seine
östliche Verbreitungsgrenze passiert das Baltikum sowie Weißrußland und erstreckt
sich bis der westlichen Ukraine.

Eine Heuschrecke spielte imme Geige. Im Winter ging sie zu einer Spinne, um Nahrung zu bekommen.
Die Spinne fragte:
"Was hast du die ganze Zeit getan, daß du jetzt hungerst?"
"Ich machte Musik."
Die Spinne sagte:
"Dann geh und mach deine Musik weiter!"
240. Die Heuschrecke und die Spinne. ERA II 158, 413 (34) < Mustjala
- Aino Ahurand < Triin Tänav, geb. 1856 (1937). - AT 280 A - Die Heuschrecke und
die Ameise - 4 handschriftliche Varianten. Im estnischsprachigen Druckwort seit
Willmann (1782), im 19.-20. Jh. meist als Übersetzung von I. Krylov. In Estland
kennt man auch einen Bibelvers, eine Redewendung und ein Sprichwort gleichen Themas
(EV 5370).

Einmal hatten eine Mücke und ein Pferd Wortstreit. Die Mücke prahlte, sie könne mit ihrer Mannschaft das Pferd besiegen. Das Pferd wollte das nicht glauben, sondern sagte:
"Ihr sollt doch eine Probe machen, damit ich eure Stärke sehen und ihr glauben kann. Dann könnte ich euch wie ein mächtiges Geschlecht ehren."
Die Mücke rief ihre Männer zusammen und in einer großen Schar versuchten sie, das Pferd zu überfallen. Das Pferd ließ die Mücken kommen und fragte:
"Seid ihr jetzt alle zusammen und arbeitet tüchtig?"
Der Führer rief froh:
"Jaa!", da er dachte, daß das Pferd jetzt anfängt, um Erbarmung zu bitten.
Das Pferd aber ließ sich auf die Erde und wälzte sich, bis sie alle tot waren. Nur eine Mücke kam mit dem Leben davon. Diese sagte:
"Hätten wir einen einzigen Mann mehr gehabt, wäre der Sieg auf unserer Seite gewesen! Wir konnten es wohl niederschlagen, aber die Haut konnten wir ihm nicht abziehen."
So war die Mücke doch der Sieger.
241. Die Mücken und das Pferd. EKS 4º5, 881 (1007) < Karja, Aru
v. - Villem Mägi. - AT 281 - Die Mücken und das Pferd, 27 Varianten.

Einmal ging ein Wolf mit schlauen Gedanken im Kopf zu einer Kuhherde, wählte die dickeste und jüngste Kuh aus und bat sie zum Helfer bei seiner Hochzeit. Die Kuh war sofort bereit zu gehen. Eine Mücke setzte sich auf das Horn der Kuh, lauschte ihre Rede und flüsterte der Kuh ins Ohr:
"Du wirst wohl das Hochzeitsgericht werden."
Die Kuh fühlte, als hätte ihr etwas ins Herz gestochen und sie ging nicht mit dem Wolf mit.
Der Wolf versuchte es noch mit einer zweiten und einer dritten Kuh, aber immer wiederholte sich das Gleiche: weder die zweite noch die dritte Kuh ging mit dem Wolf. Allen Kühen hatte die Mücke klargemacht, daß der Wolf sie zum Hochzeitsgericht brauchte.
Der Wolf hatte aber noch genug Schlauheiten zum Vorrat. Wenn man mit dem Schmeicheln nichts erreicht, muß man Gewalt anwenden. Er meinte aber, daß er allein eine Kuh nicht in den Wald tragen kann. Deshalb wählte er von der Herde eine junge Färse aus und griff sie an.
Als der Wolf gerade die Ferse angegriffen hatte, brüllten alle Kühe zusammen wie aus einem Maul und rannten wie fünfzig Männer auf den Wolf los. Wer konnte, der stieß den Wolf mit den Hörnern, einige drückten ihn mit den Klauen, eine auf eine Weise, die andere auf die andere Weise, in der größten Wut.
Mit viel Mühe konnte der Wolf sich vor den aufgeregten und wild gewordenen Kühen in den Wald retten, er war aber ohne seinen Schwanz und mit nur drei Füssen geblieben. Auch die Färse konnte sich retten, wohl mit wenigen Schrammen, die er im Kampf gegen den Wolf erhalten hatte.
Die Kühe versprachen, den Wolf nie mehr in die Nähe des Viehs kommen zu lassen.
Von dieser Zeit an gibt es im Wald bei Saarde fast keine Wölfe mehr. Nur selten sieht oder hört man noch einen "Durchwanderer", aber der wird in Saarde nicht lange anhalten, weil es in Saarde so böse und wütende Kühe gibt, die mit den Wölfen keinen Spaß verstehen.
242. Die Mücke warnt die Kuh vor dem Wolf. ERA II 134, 194/6 (6)
< Saarde - J. P. Sõggel < Märt Päärson (1936). - Mtº 281 A - 2 Varianten.

An einem heißen Tag ging ein Ochse zum Fluß trinken und sah eine Biene am Ufer des Flusses auf einem Baumstumpf sitzen. Die Biene tauchte gerade ihr kleines Schnäbelchen ins Wasser. Der Ochse geriet in Zorn, als er sah, daß die kleine Biene ihm so nah zu kommen wagt, und sagte:
"Wie wagst du so nah bei mir zu trinken! Hältst du dich auch etwa für ein Tier? Mir kannst du wohl kaum etwas antun!"
Die Biene erwiderte:
"Wir müssen damit zufrieden sein, was der Schöpfer uns gegeben hat. Einer ist groß und hat viel Kraft, der andere ist aber klein und hat viel Vernunft."
Der Ochse ärgerte sich darüber und sagte:
"Ach so ein kleines Wesen wie du kommt mich über die Vernunft unterrichten! Ich könnte dich mit meiner einen Klaue zertreten."
Der Ochse hob seine Klaue, um die Biene zu zertreten. Die Biene aber flog auf und ging dem Ochsen ins Ohr. Da fing sie an zu schwirren, so daß der Ochse ganz in Not geriet und wie ein Blitz davon stürmte - weiter über Berge und Täler, so daß ihm die Haut schwitzte. Er wurde die Biene aber nicht los.
Zum Schluß, als der Ochse völlig erschöpft auf die Erde fiel, kam die Biene aus seinem Ohr hinaus und sagte:
"Paß auf, daß du nicht mehr die vom Schöpfer gegebene Vernunft spotten kommst."
243. Die Biene im Ohr des Ochsen. E 3955 < Ambla - Karp Kuusik.
- Mtº 281 B - 8 Varianten. Das Sprichwort "Der Ochse sieht die Mücke nicht früher,
als sie ihn gebissen hat" (EV 1821) wurde in Kuusalu verzeichnet.

Einmal kam ein Ochse
mit einem Pflug.
Es war Mittagszeit
und man machte eine Pause.
Auf dem Horn des Ochsen
stand ein Mücklein.
Dort begegnete ihm
eine Fliege.
Die Fliege fragte:
"Woher kommst du, Mücke?"
Er bekam zur Antwort:
"Wir waren am Pflügen!"
244. Die Mücke und die Fliege. A 6575 (3) < Tartu - Hilda Vutt
(1924). - Mtº 281 C 1) - 13 Varianten., darunter übersetzte und gedruckte Varianten.
Das Motiv ist bekannt auch als Sprichwort "Was kann die Mücke dem Horn des Ochsen
antun" (EV 11197) und als Redewendung "Er ist wie eine Mücke am Horn des Ochsen".

Der Ochse pflügte den ganzen Tag und eine Mücke saß ihm am Horn. Als die Tagesarbeit getan war, kam der Ochse nach Hause. Auch die Mücke blieb nicht zurück. Als sie zum Tor kamen, ging sie sogar etwas voraus und log dem Hausherren, daß sie schwere Arbeit gemacht habe, der Ochse aber faul neben ihr geschritten sei. Sie bat für sich Arbeitslohn und für den Ochsen Schläge.
Der Hausherr aber kannte die Lüge der Mücke. So bekam die Mücke Schläge, dem Ochsen wurden aber gutes Futter zum Fressen und ein Haufen Stroh zum Schlafen gegeben.
245. Das Pflügen des Ochsen und der Mücke. ERA II 113 138/9 (93)
< Saarde, Kilingi v. - J. P. Sõggel (1933). - Mtº 281 C 2) - 1 Variante.

"Hat der Mensch aber viel Kraft!" sprach einmal eine Mücke ihrem Gesellen. "Wir haben wohl alle starke Knochen, wenn er aber einmal seine Hand auflegt, hört man nur Knochengeknirsche!"
246. Starke Knochen der Mücke. E 26258 (11) < Tõstamaa - Otto
Schantz (1896). - Mtº 281 C 6) - 5 Varianten.

Die Kriebelmücke sei nicht von Gott geschaffen worden, sondern sei ebenso eine Teufelsschöpfung wie der Wolf. Der Teufel ärgerte sich über das ruhige Leben der Menschen und tüftelte daran, wie er es schlimmer machen könnte. Er kam zufällig zu einer Stelle, wo sich ein Pferd auf der Erde gewälzt hatte und viele von seinen Haaren auf der Erde lagen. Hier kam er auf den guten Gedanken, alle gefundenen Haare lebendig zu machen, so, daß sie den Menschen stechen würden.
Alles geschah, wie der Teufel es gewünscht hatte. Die Kriebelmücken flogen, schwirrten und summten in der Luft ihr Lied. Wegen ihres Schwirrens und Kribbelns gab der Teufel ihnen den Namen Kriebelmücke. Jetzt hatten die Leute wirklich eine Plage am Hals und so ist es bis heute geblieben.
Für die Leute hatte der Teufel jetzt eine Plage ausgedacht, wurde sie aber auch selbst nicht mehr los. Als er nun wie früher vor dem Sonnenschein eine schattige Stelle suchte, um sich auszuruhen, waren die Kriebelmücken gleich da, um ihn zu stechen.
Nun wollte er sie wieder aus der Welt schaffen. Er rief alle seine Helfer zusammen und sie fingen an, die Plagegeister zu fangen. Ein großer Sack wurde ganz voll von Kriebelmücken. Der Teufel selbst trug den Sack zu einem Fluß, um ihn dort zu ertränken. Das Tragen des Sacks machte den Alten aber müde. Ehe er den Plagesack in den Fluß warf, wollte er sich unter einem Busch ein bißchen erholen. Leider gingen aber seine Augen zu.
Inzwischen kam ein Hase hüpfend vorbei und hörte aus dem Sack ein seltsames Schwirren. Er wollte in die Sache Klarheit bringen und öffnete den Mund des Sackes. Da kamen die Kriebelmücken alle heraus und flogen in die Luft. Der Hase fing an, sie zu fangen, er lief viele Orte und Büsche durch, konnte die Kriebelmücken aber trotzdem nicht fangen. Als er zurück kam, war der Sack leer und eine große Schar hatte sich auf den Teufel niedergelassen.
Nun wurde der Teufel wach und fand, daß der Sack, den er zum Ertränken zum Fluß gebracht hatte, ganz leer war. Nun half kein Fangen und Zaubertrick mehr. Die Kriebelmücken hatten während seines Schlafes überall auf die Wiesen und in die Wälder weggeflogen. Die Kriebelmücken, die vom Teufel geschaffen wurden, waren wieder frei und so ist es bis heute geblieben.
Da sie aus den Haaren eines Pferdes geschaffen wurden, greifen sie just die Pferde am heftigsten an.
Einmal fragte eine Kriebelmücke eine Bremse:
"Könnt ihr ein Pferd auf die Erde werfen?
Die Bremse antwortete, daß sie es nicht könne.
Dann prahlte die Kriebelmücke:
"Wir haben ein Pferd mehrmals auf die Erde geworfen, aber immer haben wir einen Mann weniger gehabt als nötig, so ist das Pferd immer wieder aufgestanden."
247. Wie die Kriebelmücken entstanden sind. H II 45, 306/8 (2)
< Põlva < Oudova, Sträkova - Joosep Tamm (1888). - Mtº 281 D + AT 281 - Wie die
Kriebelmücken (Filzläuse) entstanden sind, 5 Varianten + Die Mücken und das Pferd,
27 Varianten.

In der alten Zeit berieten sich die Mücken, nach Deutschland umzuziehen, da es hierzulande so schwer sei durchzukommen. Am häufigsten werden sie von Kindern geplagt. Oft lassen sie die Mücken zuerst ihr Blut saugen, dann aber schlagen sie tot.
Dem Plan des Auswanderns wurde beigestimmt, alle versammelten sich in einen Ort, um mit der Reise nach Deutschland zu beginnen.
Auf dem Weg kam ihnen eine Bremse entgegen, die gleich nach dem Reiseziel der Mücken fragte. Sie riet den Plan, nach Deutschland auszuwandern, gleich ab und meinte, daß dort viel schlimmeres vorkommen könne als hierzulande. Außerdem sei es schwer, bei Riga weiterzukommen, da es dort einen großen Krieg geben soll.
Die Mücken kamen wieder zusammen, um Pläne zu schmieden. Zum Schluß wurden die Meinungen der Bremse gutgehießen und die Reise nach Deutschland abgebrochen.
Auf diese Weise blieben die Mücken hier.
248. Wie die Mücken hierblieben. ERA II 113, 110/11 (72) < Saarde
- J. P. Sõggel < Karl Rein (1932). - [Mtº 281 E] - 1 Variante.

Eine Fliege ging in die Stadt und ein Floh kam aus der Stadt. Bei Käänaku trafen sie sich. Sie fingen an, einander über das Landleben und das Stadtleben zu befragen.
Die Fliege sagte:
"In der Stadt ist kein Leben. Das Stadtvolk schlägt dich mit der Fliegenklatsche und alles Eßbare wird vom Tisch weggeräumt. Auf dem Lande ist es viel besser. Dort kann man ruhig fressen und schlafen. Keiner wird dich stören."
Dann fing der Floh an zu sprechen:
"Ich habe es in der Stadt viel lieber. Auf dem Lande bekommst du nichts zu fressen, Leute sind mager und kommen in der Nacht ganz müde schlafen, da mußt du aufpassen, daß sie dich nicht zerquetschen. In der Stadt sind die Leute aber schön fett. Wenn du satt bist, kannst du in das weiche Polster schlafen gehen, das Bett ist großartig."
249. Die Fliege und der Floh. KKI MT 52, 52 < Kuusalu, Kolga v.,
Kiiu-Aabla k. - Aili Univere, Salme Tanning < Aino Palmroos, 39 J. (1949). - AT
282 A* - 10 Varianten.

Einmal war eine Kriebelmücke mit einer Bremse zusammen. Die Bremse fragte die Kriebelmücke:
"Warum kommst du nie mit dem Sonnenschein heraus?"
"Ich kann deshalb nicht kommen, weil mein Fett dann verschmelzen würde," erwiderte die Kriebelmücke.
"Warum kommst du aber nie mit dem Regen heraus? Warum bist du immer dann draußen, wenn es so drückend heiß ist?" fragte die Kriebelmücke wiederum die Bremse. Die Bremsen fliegen ja meist mit dem schönen Wetter und die Kriebelmücken kommen dann, wenn es schwül ist.
Die Bremse antwortete:
"Ich kann deshalb mit dem Regen nicht kommen, weil der Regen meine Kleider verderben würde."
250. Das Gespräch zwischen der Kriebelmücke und der Bremse. ERA
II 175, 76/7 (336) < Setu, Mäe v., Võõpsu k. - Nikolai Sõrmus < Maria Kütte (1938).
- AT 282 B* - 4 Varianten.

Eine Laus hatte im Bart eines Pfarrers schon sieben Jahre ein ruhiges Leben geführt, ohne daß sie sich vor Sorgen hätte fürchten sollen. Da kam einmal ein Floh leichten Fußes in die Wohnung der Laus. Auf die Frage des Flohs:
"Wie geht es dir denn hier im dicken Haarpelz?" antwortete die Laus:
"Sehr gut! Aber immer langsam und leise. So habe ich hier schon mehrere Jahre ein glückliches Leben geführt."
Als der Floh gehört hatte, daß die Laus schon mehrere Jahre - und glücklich - dort gewohnt hatte, dachte er:
"Ich habe noch nirgendwo Ruhe gefunden, überall sind die Verfolger mir hinterher."
So bot er sich der Laus zum Gesellen.
Die Laus, die die Ungeduldigkeit seines Halbbruders kannte, sagte betrübt:
"Da bist du selber Schuld. Wenn du mein Geselle sein willst, habe ich nichts dagegen. Du mußt nur meine Lebensweise übernehmen. Dann können wir das ganze Leben lang hier bleiben. Das sollst du dir merken!"
Damit war die Freundschaft geschlossen und die zukünftige Lebensweise bestimmt.
Aber schon am ersten Sonntag, als der Pfarrer in der Kirche eine Predigt hielt, konnte der Floh seine Lust nicht mehr zurückhalten. Da hatte er schon den Verbot des anderen vergessen und fing an zu springen.
Das wurde den beiden zum Unglück. Die erste Arbeit, die der Pfarrer vornahm, als er wieder zu Hause war, war es, den Bart durchzusuchen und beide totzuschlagen.
251. Die Laus und der Floh, oder der schlechte Freund verdirbt
die Ruhe. EKS 4º2, 682 (5) < Vändra - Jüri Peterson (1868/69>1876). - AT 282 C*
- Der Floh verrät die Laus, 6 Varianten. Ein analoges Märchen kennt man in Litauen.

Als ein alter Floh einmal von zu Hause wegging, um einige in der Haushalt nötige Gegenstände zu besorgen, kamen alle seine Kinder zusammen und fragten einstimmig, wann sie ihn wieder nach Hause erwarten dürfen.
Der alte Floh antwortete kurz:
"Liebe Kinder! Das kann ich nicht voraus wissen, wann ich zurückkomme, eines aber ahne ich schon jetzt; wenn ich gerieben werde, komme ich noch am selben Abend wieder, wenn ich aber gedrückt werde, komme ich wahrscheinlich nie mehr."
252. Die Prophezeihungen des alten Flohs. ERA II 15, 40 (12) <
Saarde, Räägu k. - J. P. Sõggel < Els Taklaja (1929). - Mtº 282 D - Wann der Floh
nach Hause kommt, 6 Varianten.

Eine Fliege stritt mit einem Wurm. Die Fliege sagte:
"Eher werde ich das Haus des Königs betreten als du."
Der Wurm aber sagte:
"Nein! Eher werde ich es tun!"
Die Fliege fragte:
"Wie kannst du da hinein?"
"Ich kann heimlich auf die Stirn des Königs fliegen."
Der Wurm aber sagte:
"Es werden dem König allmögliche schöne Äpfel vor die Nase getragen und ich bin auch da drin. So kann ich doch eher zu dem König gehen."
Und so geschah es auch.
253. Die Fliege und das Würmchen streiten. RKM II 30, 47 (72)
< Setu, Järvesuu v., Tonja k. - Veera Pino < Irina Pino (1949) und RKM Mgn II
164 - Fon. Herbert Tampere < Ida (Irina) Pino, 64 J. (1959). - Mtº 282 E - 2 Varianten.

Einmal hatten Fliegen und Mücken eine Schlacht zu halten. Die unverschämten Fliegen wollten über die ganze Welt herrschen und ein Weltreich der Fliegen zu gründen; genau das gleiche wollten aber auch die blutrünstigen Mücken.
Alle Fliegen mußten über Nacht das Summen der Mücken erlernen und anfangen, auf die Art und Weise zu leben wie die Mücken.
Aber genau das gleiche wollten auch die Fliegen - alle müssen die Lebensweise der Fliegen übernehmen und an das Weltreich der Fliegen angeschlossen werden. So entstanden die Parteien der Fliegen und der Mücken. Es gab eine heftige Schlacht. Es wurde gekämpft und geschlagen. Dann kam aber ein Windstoß und trug alle Fliegen und Mücken in den See.
Dann war die große Weltschlacht plötzlich zu Ende.
254. Der Krieg der Fliegen mit den Mücken. E 47940 (134) < Palamuse
- H. Karro < O. Mällo (1912). - AT 282 G - 1 Variante.

In alten Zeiten, als ein Floh und eine Laus bei einem schwarzen See lebten, wollten sie einmal um die Wette laufen - wer zuerst auf der anderen Seite des Sees ankommt.
Zuerst versuchte es der Floh. Er rief: "Hopp!" und "Komm!" und war schon auf der anderen Seite.
Dann fing die Laus an zu laufen und rief: "Ullaroi!" und rollte ins Wasser.
255. Der Wettlauf zwischen dem Floh und der Laus. E 35441/2 (9)
< Varssavi - Jaan Rootslane (1898). - Mtº 282 H 1) - 3 Varianten.

Ein Schädelchen lag auf einer Wiese. Es lief ein Mäuschen zu dem Schädel und sagte:
"Schädel, Schädel! Ich möchte hier wohnen!"
Der Schädel nahm das Mäuschen zu sich.
Es kam ein Fröschlein.
"Schädel, Schädel! Wer wohnt in dir?"
"Mäuschen der Läufer. Aber wer bist du?"
"Ich bin Fröschlein der Springer."
Der Schädel nahm auch das Fröschlein zu sich wohnen.
Dann kam ein Hase und fragte:
"Schädel, Schädel! Wer wohnt in dir?"
"Mäuschen der Läufer und Fröschlein der Springer. Aber wer bist du?"
"Ich bin der Hase, der um den Berg läuft. Nimm auch mich zu dir."
Er ließ auch den Hasen in sich herein, damit dieser dort wohnen könnte.
Dann kam ein Fuchs.
"Schädel, Schädel! Wer wohnt in dir?"
"Mäuschen der Läufer, Fröschlein der Springer und der Hase, der um den Berg läuft. Aber wer bist du?"
"Ich bin Fuchs der Possenspieler. Nimm auch mich zu dir."
Dann kam ein Wolf hinzu.
"Schädel, Schädel! Wer wohnt in dir?"
"Mäuschen der Läufer, Fröschlein der Springer, der Hase, der um den Berg läuft, und Fuchs der Possenspieler. Und wer bist du?"
"Ich bin der Wolf, der hinter dem Busch lauert. Ich will auch hier wohnen."
Auch der Wolf wurde angenommen.
Dann kam der Bär:
"Schädel, Schädel! Wer wohnt in dir?"
"Mäuschen der Läufer, Fröschlein der Springer, der Hase, der um den Berg läuft, Fuchs der Possenspieler und der Wolf, der hinter dem Busch lauert. Wer bist du?"
"Ich bin euer Zerquetscher."
Der Bär setzte sich auf sie und zerquetschte sie alle.
256. Das Häuschen im Schädel. S 22332/3 (32) < Setu, Vilo v.,
Mitkovitš-Sagorje k. - Aleks Põhi < Vassili Karulaan (1930) und S 23824/5 (31)
< Setu, Vilo v., Košelki k. - Alma Tammeorg < Praskovja Raamat, geb. 1878 (1930).
- AT 283 B* - 4 Varianten. Das Märchen ist sehr populär bei den Ostslawen (Rußland
22, Ukraine 10, Weißrußland 3 Varianten). Im Westen unbekannt.

Als der himmlische Vater die Welt schuf, gab es auf der Erde kein Feuer. In der Hölle gab es aber Feuer genug. Großvater rief alle Tiere zusammen und sagte:
"Derjenige, der aus der Hölle auf die Erde Feuer bringt, bekommt für sein ganzes Leben kostenloses Futter."
Eine Spinne versprach zu gehen und sagte:
"Ich habe einen Strick, ich werde mich am Strick herunterlassen."
So ging die Spinne herunter. Es vergingen zwei Nächte und zwei Tage, bis sie aus der Hölle zurück war. Sie nahm von dort einen Feuerbrand mit und fing an zurückzukommen. Als sie wieder auf der Erde angekommen war, war sie müde und legte sich schlafen. Sie legte den Feuerbrand neben sich und schlief ein.
Eine Fliege sah die Spinne schlafen, der Feuerbrand neben ihr, da nahm sie schnell den Feuerbrand und brachte ihn zu dem alten Gott. Dieser sagte:
"Du bist tüchtig. Jetzt darfst du von jedermanns Eßtisch frei fressen."
Als die Spinne aufwachte, sah sie, daß der Feuerbrand verschwunden war. Sie fragte, jeden, der ihr entgegen kam, ob jemand vielleicht gesehen hatte, wer den Feuerbrand entwendet hatte.
Alle, die ihr entgegen kamen, sagten:
"Die Fliege kam mit einem Feuerbrand."
Die Spinne ging zu dem Großvater und sagte, daß nicht die Fliege, sondern sie aus der Hölle Feuer gebracht habe.
Großvater fragte nach den Zeugen - ob jemand gesehen hatte, daß die Spinne mit dem Feuer kam. Niemand hatte das gesehen. Man hatte aber wohl gesehen, daß die Fliege mit dem Feuerbrand kam.
So konnte die Spinne nicht beweisen, daß sie die Feuerbringerin war. So blieb der Fliege das Recht.
Von dieser Zeit an hasst die Spinne die Fliegen, macht überall Netze, um Fliegen zu fangen. Wenn sie eine Fliege fängt, plagt sie sie noch von hinten, bevor sie anfingt zu fressen.
257. Die Spinne holt Feuer aus der Hölle. ERA II 148, 115/6 (3)
< Märjamaa - Emilie Poom < Hans Viska, geb. 1874 (1937). - Mtº 283 I* - 7 Varianten.
Ein Märchen mit einem sagenmäßigen Ende, registriert als Aa US 67 und US 68. Mehr
bekannt in Lääne- und Pärnumaa (Südwestestland).

Die Hirtenkinder machten Feuer und aßen beim Feuer. Es kamen Ameisen zu ihnen und harnten ihnen auf die Füsse. Sie steckten den Ameisenhaufen in Brand.
Eine Ameise ging zu dem göttlichen Vater, um die Hirtenkinder anzuzeigen - sie sollen sehr viel Brot auf die Erde fallen lassen, deshalb sollte man ihr Brot wegnehmen und ihnen nichts mehr geben. Und außerdem hätten sie ihr Zuhause verbrannt.
Eine Spinne ging die Hirtenkinder rechtfertigen. Sie sagte, daß die Hirten ja keinen Tisch hätten, wo sie das Brot hinlegen könnten. So müssen sie aus der Hand essen und von dort kann schon auch etwas herunterfallen. Auch habe die Ameise selbst zuerst mit dem Frevel angefangen: sie harnte und biß die Kinder und tat ihnen weh und deshalb zündeten sie den Ameisenhaufen an.
Der göttliche Vater sagte zu der Ameise:
"Du bist selbst schuld, weil du sie selbst geplagt hattest!"
Er nahm die Ameise fest und warf sie vom Himmel herunter. Deshalb ist sie von der Mitte wie entzwei geschlagen.
Der Spinne aber wurde ein sehr langer seidener Strick gegeben, weil sie die Wahrheit gesagt hatte und die Gerechtigkeit liebte.
258. Die Lebensgeschichte der Ameise und der Spinne. KKI 2, 121/2
(8) < Otepää - Linda Lausing < Anna Tamm, 80 J. (1946). - Mtº 284 - Die Spinne
und die Ameise, 28 Varianten. Ein international bekanntes Fabelnsujet, das in
der estnischen Sprache seit Rosenplänter (1817) gedruckt worden ist. Registriert
auch bei Aarne als Entstehungs- und Erklärungssage US 66. Mehrere handschriftliche
Varianten (18) sind von Druckschriften beeinflußt.

Einmal war ein Mann mit einer Laus befreundet. Nie versuchte der Mann sie zu töten. Wenn der Mann hinausging, fragte die Laus immer, wohin er gehe. Überall, wohin er ging, in die Kirche, in die Kneipe, in den Wald und andere Orte, immer bat die Laus um Erlaubnis mitzukommen. Der Mann verbat sie auch nie, sondern nahm sie immer mit.
Einmal machte der Mann sich auf den Weg, um in die Sauna quästen zu gehen.
Die Laus fragte:
"Wohin gehst du?"
"In die Sauna quästen," antwortete der Mann.
Die Laus blieb zu Hause, wollte gar nicht mitkommen.
Der Mann fragte:
"Kommst du auch mit?"
"Nein, heute kann ich gar nicht weg von Zuhause, ich habe so Kopfschmerzen," erwiderte die Laus.
259. Die Laus als Freund. E 34793 (6) < Jüri, Kurna - J. Kurgan
(= Jaan Saalverk) < Jaan Peitong, Knecht (1897). - Mt* 284 Med - Die Laus hat
Angst vor der Sauna, 15 Varianten. Die Geschichte kennt man auch in Lettland.

Ein Frosch ging zu Gott, um zu klagen, daß die Hirten im Wald essen und viele Brotkrümelchen auf die Erde fallen lassen. Es kam auch eine Spinne und sagte zu dem Frosch und zu Gott:
"Man kann es ihnen nicht übelnehmen, sie haben doch kein Eßtisch und Schüsseln, auf die sie ihr Essen legen könnten."
Gott gab der Spinne das Recht, trat dem Frosch mit seinem Fuß unter das Kinn und schlug ihn vom Himmel herunter.
Als der Frosch herunterfiel, brach er sich das Rückgrat. Es wuchs später zwar wieder zusammen, aber sein Rücken blieb doch bis zu dem heutigen Tag krumm.
Die Spinne aber bat Gott um Hilfe und Rat, wie sie von oben wieder herunter könnte. Gott warf ihr einen Knäuel Seidenfaden. Sie Spinne band das eine Ende an den Himmel fest und ließ sich am Faden herunter. Von dieser Zeit an ist der Spinne ein Knäuel Seidenfaden im Hintern geblieben.
260. Der Frosch und die Spinne. E 7280 < Viljandi, Vana-Võidu
- Jüri Pihlap. - Mtº 284 A - 16 Varianten. Das Märchen ist auch als Sage (Aa US
66) registriert worden. Durch Wiedemann (1876) und Dähnhardt (1910) ist es aus
Estland deutschsprachig in den internationalen Umlauf gelangt.

In alten Zeiten, als die Leute einmal im Sommer beim heißen Tage in den Wald schlafen gegangen waren, wußten sie nicht mehr aufzustehen. Deshalb sagte Großvater:
"Ich möchte für sie jemanden schaffen, der sie wieder weckt, sonst werden sie viel Schaden leiden," und er schuf zwei Arten Tiere, eine Art war größer und mit einer tieferen Stimme und die andere kleiner und mit einer helleren Stimme. Wer nicht sehr tief schläft, wird die kleineren hören und wer einen tiefen Schlaf hat und die kleineren nicht hört, für den gibt es die größeren.
Die Stimme der kleineren klang wie ein Piepen, die Tiere hieß man Mücken, die Stimme der größeren war aber tief wie ein Brüllen, deshalb hieß man sie Bremsen.
Aber so, wie es überall vorkommt, daß es miteinander kein gutes Auskommen gibt, geschah es auch dort. Die Mücke und die Bremse fingen an zu streiten und prahlten vor einander, wer von den beiden mehr wert sei. Zum Schluß sagte die Mücke:
"Die Bremse bleibt bis zum letzten Tag eine Scheiße, ich aber bleibe bis zum Michaelistag ein tüchtiger Mann."
Deshalb sollen die Mücken auch viel länger hier sein als die Bremsen, weil die Mücke einmal so gesagt hat.
261. Der Streit zwischen der Mücke und der Bremse. H II 48, 233/4
(4) < Karksi - Jaak Hünerson < Jaan Laatsarus (Pulk-Jaan), 69 J. (1839). - Mtº
284 C - 20 Varianten.

Eine Laus habe in der alten Zeit gesagt: "Wenn ein Schwertekrieg kommt, kann man sich noch retten, aber wenn ein Schweinekrieg kommt, dann gibt es keine Rettung mehr."
262. Die Maus lehrt den Sohn. H II 55, 237 (98) < Tarvastu - Feldfebel
(1896). - Mtº 284 E - 1 Varianten. Das Haar der Kinder wurde entweder mit Hilfe
eines Messers (Schwertekrieg) oder mit einer Bürste aus Schweineborsten (Schweinekrieg)
entlaust.

In der alten Zeit nahmen eine Schwalbe, ein Nadelbaum und eine Fledermaus sich vor, viel Reichtum zu sammeln, ins Ausland zu schicken, dort zu verkaufen und dafür viel anderen Kram zurückzubringen. Sie hofften viel Gewinn zu erzielen. So haben sie dann auch gehandelt.
Die Schwalbe war ein reicher Mann, sie kaufte viel Eisen und schleppte es zusammen, um es auf das Schiff zu laden und wegzuschicken.
Der Nadelbaum war ebenso ein reicher Mann, er kaufte viel Stoff, schleppte das Ganze zusammen, um alles wegzuschicken.
Die Fledermaus war aber ein armer Mann, der Armselige hatte gar kein Geld. Sie wollte sich aber nicht schänden, lieh große Summen Geld und kaufte Waren. Er schleppte das Gekaufte zu den anderen, um alles zusammen wegzuschicken.
Es wurde ein Schiff bestellt, es wurde beladen, die weitere Erledigung der Sachen wurde den Seeleuten übergeben, damit sie alles in Ordnung bringen. Das Schiff kehrte der Küste den Hinterteil zu und segelte in die Richtung des Auslands los.
Es brach aber ein großer Sturm los, zog das Schiff hin und her. Zum Schluß wurde der Sturm so stark, daß das Schiff beschädigt wurde. Wasser floß ins Schiff und es versank samt dem Eisen, Stoff und den Männern.
Noch am heutigen Tag fliegen die Schwalben mit dem Sturm zu der See. Es scheint, als wäre dort der beste Ort für sie. Das bedeutet aber nichts anderes, als daß die Schwalben immer noch warten, daß das Schiff mit den Reichtümern kommt. Die armen Männchen wissen nicht, daß das Schiff schon zugrunde gegangen ist.
Wenn du aber bei einem Nadelbaum vorbei gehst, greift er mit seinen Nadeln nach deiner Kleidung. Er meint, daß das Schiff vom Ausland zurück ist und ihm nun ausländischer Stoff gebracht wird. Deshalb will er die Kleider des Vorbeigehenden sehen und behalten. Manchmal zieht er sogar so stark, daß der Stoff entzwei gerissen wird.
Die Fledermaus schämt sich und kommt deshalb im Tageslicht nicht aus dem Wald, weil er meint, daß die Borger ihr Geld zurückverlangen werden. Es ist besser solange im Versteck zu leben, bis das Schiff zurückkommt und Geld bringt.
Du kannst ruhig warten! Das Schiff kommt nicht mehr. Was versunken ist, bleibt verschwunden.
263. Die Schwalbe, der Nadelbaum und die Fledermaus. E 14377/80
(17) < Tõstamaa - Otto Schantz (1895). - AT 289 - 2 Varianten. Ein altes Fabelnsujet.
Als Märchen auch in Lettland und Litauen aufgezeichnet.

Einmal in der alten Zeit saß eine Mücke am Horn eines Ochsen und verspottete den Ochsen, daß dieser ein schwaches Tier sei. Dann flog sie ihm auf den Rücken und sog gierig das Blut des Ochsen. Sie war selbst sehr stolz, daß sie auf dem Rücken eines so großen Tieres reitet und sich von ihm ernährt. Und als wäre das noch nicht genug - dabei entehrte sie noch den Ochsen. Dieses Verhalten ärgerte den Ochsen und er sagte:
"Wenn du mich nicht in Ruhe läßt, werde ich dich in die tiefsten Abgründe der Hölle treten!"
Die Mücke wurde aber noch stolzer darauf, daß es überhaupt ein solches Tier gibt, das den Mut hat, sich gegen sie zu setzen und daß es sie ihrer Freiheit berauben will. Dann flog sie wieder auf das Horn des Ochsen, setzte sich und sang dem Ochsen ihr Spottlied:
"Trample, trample, Ochslein,
du armseliges Brüderlein!
Du wirst nie auf dem Rücken der Mücke trampeln,
du wirst nie die Haare der Mücke herausreißen.
Die Mücke bleibt der Herr des Ochsen,
der berühmte König des Ochsen."
Diese Tat machte den Ochsen noch wütender. Er schlug mit dem Horn gegen einen Baum - da war die Mücke tot. Nach dem Stolzsein kam der Fall.
So ist es heute noch geblieben. Immer, wenn der Ochse nur kann, versucht er, eine Mücke zu töten und schlägt sie mit dem Horn und mit dem Kopf, falls eine Mücke sich traut, sein Blut zu saugen.
264. Der Tod der Mücke. ERA II 113, 17/8 (2) < Halliste, Mõisaküla
- J. P. Sõggel < Peeter Ruukel (1929). - AT 291* - 1 Varianten.

Eine Espe wuchs neben einer Erle. Einmal aber fingen sie an zu streiten.
Die Espe sagte:
"Mich verehren die Leute mehr als dich."
Die Erle aber widersprach:
"Ganz im Gegenteil - mich."
Die Espe erklärte:
"Aus mir wird das beste Papier hergestellt, die Hirten machen aus meinen Blättern Girlanden und Badequaste, aus dir aber wird nichts! Und welch eine Stimme ich noch von mir gebe! Wenn ich mich schüttle, dann erschrecken alle, die sich im Wald befinden. Dich aber hört keiner. Meine Blätter fressen alle Tiere und im Winter kauen sich auch noch an meiner Rinde. Deine Rinde will aber keiner und die Blätter auch nicht."
Die Erle aber lobte sich selbst:
"Doch bin ich teurer als du. Aus mir werden die besten Kellen, Kübel und Milchgefäße hergestellt. Mich mögen Frauen sowie Männer. Ich gehe jeden Tag in die Stadt, du aber siehst sie nie. Männer kommen, um eine Kelle zu kaufen, die fragen, ob sie aus Erle ist, eine solche bläht sich nicht. Frauen suchen erlene Kübel und Gefäße, weil solche keinen Nebengeschmack geben. Aus mir werden auch Löffel und Schöpflöffel hergestellt, aus dir wird aber nichts. Mit meiner Rinde werden die besten Kleider gefärbt. Frauen loben: Was mit Erlenrinde gefärbt ist, fürchtet weder Sonne noch Wasser und ist schön, bis es alt wird. Du, Espe, aber taugst nichts, weder zu einem Gegenständ noch zu einem Gefäß. Manchmal mag dich keiner. Wenn du zitterst, sagt das Volk: Die teuflische Espe zittert so, daß der Mensch kaum reden kann. Sogar fällen will man dich nicht, taugst nicht zum verbrennen, nicht einmal zum Herdholz."
Die Espe erwidert:
"Ach, wie schön bin ich im Herbst! Niemand ist so schön. Alle sagen: Ach, wie schön sind die Erlen! Aber dich, Erle, mag keiner. Wenn die Hirten im Herbst durch das Erlengebüsch gehen, schimpfen sie deine Äste, daß sie ihnen in die Augen schlagen."
Die Erle dann doch sagte friedensstiftend zu der Espe, daß, wir sind beide fast gleichmäßig, die Leute mögen doch uns beiden.
265. Die Espe und die Erle. S 93244/7 (4) < Setu, Vilo v. - Anna
Tammeorg < Grigori Loomik (1934). - AT 293 4). Welcher ist nützlicher? AT 293.
- Unter diesen Typus hat man mehrere in den früheren Druckschriften erschiene
Geschichten konzentriert. Tiere, Pflanzen oder Gegenstände streiten, wer am nützlichsten
ist. - Insgesamt 31 Varianten.

In einem Tal war eine Heuwiese. Sich schlängelnd lief von dort ein kleines Bächlein über die Wiese. Die Wiese merkte, daß das Bächlein seine Küsten jedes Jahr immer weiter und weiter verbreitete, so wird es mich zum Schluß ganz verderben.
"Was soll ich machen?" dachte die Wiese. "Es zumachen kann ich nicht, dann wird es schon ganz breit und überschwemmt mich ganz." Die Wiese sah, daß sie nichts tun kann und fing an zu schimpfen: "Du, alter Hin- und Her-Windende, wohin gehst du?"
Der Bach natürlich mochte es nicht, was gesagt wurde, daß er ein Hin- und Her-Windender ist. So erwiderte er gleich:
"Halt dein Mund, du Glattkopf!"
Die Wiese wußte auch nichts mehr dazu zu sagen und hörte einfach zu.
Das Bächlein aber rieselte weiter wie früherhin.
266. Die Wiese und der Bach. S 105701/2 (41) < Setu, Vilo v.,
Truba k. - Paul Külaniit < Matroona Keskmaa, geb. 1889 (1935). - AT 293 A* 1)
- 4 Varianten. Die gleichen poetischen Vergleichsbilder trifft man in Rätseln
(Lösungen: Heuwiese und Fluß), in Sprichwörtern oder in den Anfangsversen des
Volksliedes.

In einem großen Fichtenwald auf einer höheren Stelle wuchs eine große und alte Eiche, die ihre starke Äste überall hin verbreitete. Unter der Eiche erschien eines Tages die Nase eines Steinpilzes und er fing an, mit lauter Stimme zu sprechen:
"Weiche dich zurück, Eiche, laß mir mich breitmachen!"
Die stolze Eiche lachte über das Prahlen des Steinpilzes. Der Steinpilz aber wuchs in wenigen Tagen so groß und dick wie der Hut des allergrößten Mannes.
So stand er prahlend ein paar Wochen und fiel dann von seiner dicken Wurzel herunter.
Die Eiche fragte:
"Na, Freund, warum denn so?"
Der Steinpilz erwiderte:
"Auf der Seite ist man doch munterer. Wie lange kann ich denn hier auf dem einen Bein stehen."
267. Die Eiche und der Steinpilz. E 45422/3 (3) < Võru - Gustav
Sander (1905). - AT 293 B* - 8 Varianten.

Einmal ging der Branntwein bei einem Steinpilz vorbei und grüßte ihn freundlich:
"Grüß dich, Steinpilz, Bauernspeise!"
Der andere erwiderte dem Gruß mit gleichmäßiger Freundlichkeit:
"Grüß dich, Branntwein, Volksfreude!"
Als der Branntwein zurückkam, fand er den Steinpilz verfault vor und grüßte ihn:
"Grüß dich, Rotz, verfaulter Mist!"
Dieser gab gleichmäßig zurück:
"Grüß dich, Branntwein, Getränk der Tobenden!"
268. Der Branntwein und der Steinpilz. H, R 4, 159 < Räpina, Toolamaa
- H. Punnisk (1887). - AT 293 D*.

Die Rübe: "Grüß dich, Hopfen, dummer Kerl!"
Der Hopfen: "Grüß dich Gott, breite Scheiße!"
Die Rübe: "Tag, Freudemacher!"
Der Hopfen: "Grüß dich Gott, Nachtischchen!"
269. Der Streit des Hopfens und der Rübe. H II 44, 697 (179) <
Otepää (Sangaste?) - Jaan Tammemägi < Mai Liping (1893). - AT 293 D* - Gegenseitiges
Schimpfen und Versöhnen der Pflanzen oder Gemüsearten - insgesamt 7 Varianten.

Der Hanf habe einmal zu dem Flachs gesagt:
"Was prahlst du, Däumling, in deiner blauen Mütze, was kannst du gegen mich! Siehe dir meine Länge und Dicke an!"
Der Flachs erwiderte: "Ich, Däumling, gebe den Menschen Kleider zum Anziehen, aber was kann man aus dir machen?"
Der Hanf gab stolz zurück:
"Aber ich ernähre doch den Menschen und binde seine großen Lasten zu!"
270. Der Streit des Hanfs und des Flachses. ERA II 208, 136 (12)
< Tarvastu, Suislepa - Joh. Kala (1939). - AT 293 4) - 2 Varianten.

Einmal fingen der Mist und der Rotz an zu streiten, wo das Leben besser ist, in der Stadt oder auf dem Lande. Der Mist sagte:
"Auf dem Lande ist das Leben besser."
Der Rotz aber sagte:
"In der Stadt ist es besser."
Der Mist wieder:
"In der Stadt ist es schlimmer. Vom dritten Stock wirst du heruntergeworfen, so daß alles um dich klappert. Es wird dir noch Wasser zwischen den Kragen gegossen, du wirst durch die Röhren heruntergejagt. Auf dem Lande ist es besser. Auf dem Lande wirst du auf weiches Gras gelegt, schön in den Haufen."
Der Rotz aber blieb bei seinem:
"In der Stadt ist es besser! In der Stadt wirst du in einem schönen sauberen Taschentuch in die Tasche gesteckt, aber auf dem Lande wirft der Bauer dich auf die Erde, so daß es kracht. Nachher reibt er dich noch mit dem Fuß auseinander. Manchmal wirst du auf den Weg geworfen, wo alle auf dich treten."
So streiten sie bis heute. Der eine sagt, daß es in der Stadt besser ist, der andere, daß es auf dem Lande besser ist.
271. Der Mist und der Rotz. RKM II 92, 21 (2) < Setu - Anna Relli
< A. und V. Tammeorg (1958). - AT 293 F* 1) - die einzige Variante. Vgl. AT 112
und 282 A*.

Das Sumpffieber, die Blase und die Rose waren einmal zu dritt hinter einem Holzstoß und sprachen darüber, wer wohin gehen wird. Das Sumpffieber sagte:
"Ich gehe auf diesen Bauernhof hier hinein. Hier wird heute zum Mittag Grützbrei gekocht und dem Brei wird natürlich ein Loch für Butter in die Mitte getan. Ich gehe in die Butter und bin wie ein glänzender Tropfen auf der Butter."
Der Bauer aber schärfte vor dem Holzstoß Bretter für seine Egge und hörte alles.
Das Mittagessen wurde fertig und alle wurden zum Essen gebeten. Dann kam der Bauer schnellen Schrittes herein und nahm mit einem Löffel die Butter von der Mitte des Breis und steckte sie in seinen Tabakbeutel. Dann band er den Mund des Sacks fest und hängte ihn in das Rauchloch in den Rauch, dorthin, wo der Rauch ausgeht, und ließ ihn dort ein ganzes Jahr räuchern. Er ließ ihn deshalb für ein ganzes Jahr dort, weil das Sumpffieber versprochen hatte, den Bauer ein Jahr lang zu plagen.
Die Rose aber sagte:
"Ich gehe dorthin auf diesen entfernten Bauernhof in die Achselhöhle der Bäuerin, dort habe ich ein Jahr lang ein gutes Leben", und fügte noch hinzu: "Wenn sie mich naß machen, werde ich bestimmt für ein Jahr bleiben, aber wenn sie mir auch sonst Hitze geben, dann werden sich mich ersticken."
Der Bauer hatte auch das gehört.
Dann sagte die Blase:
"Ich gehe in dieses kleine Haus hier, gehe zwischen die Zehen des Hirtenjungen und werde ebenso ein Jahr dort zwischen den Zehen bleiben."
Der Bauer, der hinter dem Holzstoß gelauscht hatte, ging auf den entfernten Bauernhof und die Bäuerin dort hatte tatsächlich in ihrer Achselhöhle starke Schmerzen.
"Gibt es hier etwas heiß Gekochtes?" Es gab Brei. Er legte heißen Brei darauf. Der Schmerz verschwand.
"Na, schmerzt es noch?"
"Nein, es schmerzt nicht."
Sobald der Schmerz nachließ, nahm der Mann diesen Brei und stieß in den Sack und hängte ihn auch in den Rauch. Wenn die anderen fragten, warum er so tut, sagte er:
"Du hast es zu fragen, ich hab' es zu wissen."
Zu diesem Hirtenjungen ging er aber nicht Nachricht bringen. Die dort hatten die Blase kaputt gemacht und der Fuß war das ganze Jahr lang krank.
Wenn ein Jahr vorbei war, wurde der Fuß des Hirtenjungen gesund. Der Bauer schüttelte seine Butter und den Brei der Bäuerin auch aus dem Sack.
Dann kamen alle Freunde zusammen, der Bauer hörte wieder alles.
Das Sumpffieber sagte:
"Ich hätte mein Leben gelassen! Ich wurde in einen Ledersack getan und mit dem Sack in den Rauch gehängt. Der Rauch kam immer in die Nase. Ich hätte fast den Geist aufgegeben, aber in der größten Not konnte ich noch heraus."
Die Rose sagte:
"Ich hatte dasselbe, ich wurde in einen Ledersack getan und mit dem Sack hochgehängt und der starke Rauch wollte mich ersticken, es war so stickig und schwer."
Die Blase aber sagte:
"Mir war es aber gut. Ich war zwischen den Zehen, und ließ den Jungen nicht schlafen. Manchmal wurde ich mit leckeren Sachen beschmiert - ich hatte wohl genug zu essen."
Dann trennten sie sich voneinander. Das Sumpffieber sagte, daß es nicht mehr zu einem Menschen gehen wird; die Rose sagte:
"Ich werde auch nicht mehr so leicht zu einem Menschen gehen."
Die Blase aber versprach, sofort zu gehen, wenn sie nur kann.
272. Das Sumpffieber, die Blase und die Rose. ERA II 54, 297/301
(350) < Tartu-Maarja, Kavastu - Richard Viidalepp < Kaarel Jürjenson, geb. 1868
(1932). - Mtº 293 F* 2) - 14 Varianten. Die Aufzeichnungen stammen vorwiegend
aus Südestland. Die Erzählung basiert auf dem Volksglauben, daß man auf den Ruf
des Sumpffiebers nicht antworten darf, dann findet es sein Opfer nicht und kommt
um.

Einmal plagte das Sumpffieber einen Mann, ließ ihn weder am Tag noch in der Nacht in Ruhe. Der Mann versuchte es zwar, ihn loszuwerden, das war aber kaum möglich. Einmal kroch er in den Schweinestall in den Versteck, da die alten Leute sagten, das alte Sumpffieber wisse dort nicht zu suchen.
Kaum hatte der Mann sich verstecken können, als er hörte, daß die Hausfrau ihn rief.
"Hei, Tõnu! Komm schnell hierher!"
Tõnu wollte auch sofort hinausgehen, das Sumpffieber griff ihn aber bei der Tür an und fragte, warum er dorthin gegangen war. Der Mann wußte kein Wort zu antworten. Das Sumpffieber drückte den Mann fast bis zum Sterben.
Einmal ging der Mann in den Roggen. Das Sumpffieber fängt wieder an zu rufen:
"Hei, Tõnu!"
Tõnu antwortete kein Wort. Das Sumpffieber rief weiter, bis der Mann endlich sagte:
"Ich bin hier."
Das alte Sumpffieber fing wieder an, den Mann zu plagen. Der Mann blieb keinen anderen Rat über als zu einem Weisen zu gehen. Der Weise gab ihm auch gleich klugen Rat:
"Mach aus deinen Kleidern eine einem Mann ähnliche Gestalt und stelle sie in der Dreschkammer auf den Kopf. Du selbst gehe in den Dreschofen. Wenn jemand dich ruft, gehe ihm nicht entgegen, egal, wer er ist."
Der Mann ging nach Hause und machte so, wie der Weise ihn unterrichtet hatte, und ging selbst in den Ofen.
Nach einiger Zeit hörte er, daß der Knecht seinen Namen nannte, antwortete ihm aber kein Wort. Das Sumpffieber ließ sich tosend in die Ecke auf die Kleider des Mannes nieder, merkte aber bald, daß in dem Mann kein Leben ist, und rief:
"Ach du, dummer Mann, wegen dieser nichtigen Not bist du gestorben! Ich hatte dich doch gar nicht viel geplagt. Hättest du noch einige Tage gelebt, dann hätte ich dich auf richtige Weise gedrückt!"
Und das Sumpffieber ging seines Weges und zeigte sich dem Mann nie mehr.
273. Der Mann und das Sumpffieber. E 18445 < Tartu - August Arst
(1895). - Mtº 293 F 3) - Das Sumpffieber und das Geschwür, 14 Varianten. Als Geschichte
ebenso in Lettland notiert. Alle estnischen Aufschreibungen haben sich nicht zu
einem Märchen entwickelt, sondern sind auf der Ebene des Volksglaubens geblieben.

Der April wollte einmal zu dem März zu Besuch gehen. Der März ließ großen Sturm und Frost entstehen und der April mußte auf dem halben Weg zurückkehren. Der April ging zu dem Mai seine Not klagen.
Der Mai sagte:
"Wenn du zu dem März zu Besuch gehen willst, dann nimm einen Schlitten sowie einen Wagen und ein Boot oder einen Kahn mit."
Ein anderes Mal, als er anfing, zu dem März zu Besuch zu gehen, nahm er einen Schlitten und einen Wagen, und einen Kahn legte er auch auf die Fracht.
Der März sah den April mit dem Schlitten kommen. Gleich ließ er Tauwetter kommen und verschmolz den Schnee. Der April spannte das Pferd vor den Wagen und hob den Schlitten auf den Wagen. Nun ließ der März das Hochwasser fließen. Der April tat alles in den Kahn und fuhr über das große Wasser.
Weiter konnte der März nichts mehr machen, der April war am Kommen und er mußte ihn annehmen.
Später kam der Mai zu dem April zu Besuch und fragte:
"Wie war denn der Besuch zu dem März?"
Der April sagte:
"Ich danke dir, daß du mich gelehrt hast. Ich kam glücklich an."
Der April nahm den Mai gern an. Sie waren doch Freunde.
Sie gingen ein paar Wochen zusammen, dann ließ der Mai eine große Hitze heraus, dann mußte der April zurückweichen. Er mußte sich von dem Mai trennen und wieder nach Hause zurückkehren. Er hielt eine solche Hitze nicht aus. Er sagte zu dem Mai, daß er ihn im nächsten Jahr nicht so schnell kommen läßt wie in diesem Jahr.
274. Der April besucht den März. ERA II 154, 158/9 (24) < Setu,
Vilo v., Labõnitsa k. - Anna Tammeorg < Vassä (Vassilissa) Linnaste, geb. 1872
(1936). - AT 294 - Der April besucht den März, 2 Varianten. Es gibt Aufschreibungen
aus Lettland, Rußland, der Ukraine.

In alten Zeiten, wenn alle, die sprachen - sei es Vögel oder Vierfüßler oder Pflanzen oder Bäume -, die konnten alle noch sprechen und gegenseitig ihre Sprache verstehen, dann sollen der Stöbermonat (Februar) und der Fastnachtsmonat (März) gestritten haben.
Der Stöbermonat habe zu dem Fastnachtsmonat gesagt:
"Ich bin der Kältekönig."
Der Fastnachts- oder Morgenrötemonat habe erwidert:
"Hätte ich deine Macht, ich wäre noch kälter als du. Ich würde die Hände der Frau im Brotteigtrog und das Kalb im Bauch der Kuh erfrieren. Aber was kann ich, Armseliger, tun, mir tränt schon das eine Auge Wasser und das andere Dünnbiersatz, ich kann nichts mehr tun. Ich muß traurig zuschauen, wie die Wiesenkatze (Sonne) jeden Tag meinen Kopf wäscht. Ich kann aber nichts dafür. Ich baue zwar nachts, aber was hilft das. Die Wiesenkatze baut das am Tag alles wieder ab. Sonst wäre ich immer ein mächtiger Mann als du."
275. Der Fastenmonat (der März) droht. H II 67, 56/7 (1822) <
Koeru, Vaali - Hans Anton Schultz < Aadu Peili (1896). - Mtº 294 A - 14 Varianten.
Ein mit Volkskalender und -glauben verbundenes Naturgespräch, das sich in unserem
Fall zu einem Märchen entwickelt hat. In Estland auch als ein wettervorhersagendes
Sprichwort populär (EV 5229) - 40 Varianten.

Eine Bohne, ein Strohhalm und ein Kohle gingen auf die Reise. Sie kamen zu einem Fluß und wollten dort über den Fluß gehen. Da der Fluß aber keine Brücke hatte, legte sich der Strohhalm als Brücke über den Fluß.
Zuerst fing die Bohne an, über den Fluß zu gehen. Als er schon in der Mitte des Flusses war, zitterte der Strohhalm, die Kohle bekam Angst und blieb stehen. Stehend brannte sie aber den Strohhalm durch und fiel in den Fluß. Die Bohne, die auf der Küste stand und die sich die Geschehnisse seiner Freunde ansah, fing an zu lachen und platzte vor Lachen.
So war das Reisen zu Ende.
Ein Schneider kam zufällig auch diesen Weg. Die Bohne fing an zu beten, daß er sie zusammennähen würde. Der Schneider nähte, aber mit dem schwarzen Faden, da er den weißen nicht mithatte.
Die Bohne wurde wieder gesund, aber vom Nähen mit dem schwarzen Faden blieb ihr eine schwarze Stelle auf der Seite.
276. Die Bohne, der Strohhalm und die Kohle. H III 1, 434/5 (1)
< Iisaku, Oonurme v. - A. Valter, Schullehrer. - AT 295 - 9 Varianten. Verbreitet
sich in der Form des sehr populären Liedes "Der Bastschuh, die Blase und der Strohhalm",
Wörter bei A. Piirikivi (Grenzstein 1888), bis in die heutigen Schulbücher.

Einmal ging ein Mann auf dem Weg. Es war ein sehr sonniges Wetter. Der Mann hörte, wie die Sonne und der Wind sprachen.
Der Wind sagte zu der Sonne:
"Siehe nur, ich werde dem Mann den Pelzmantel ausziehen!"
Die Sonne antwortete folgendermaßen:
"Du kannst ihm den Pelzmantel nicht wegreißen, aber ich kann!"
Der Wind widersprach:
"Du kannst es wohl nicht, aber ich kann!"
Die Sonne wieder:
"Wenn du kannst, mache eine Probe!"
Der Wind fing an zu probieren.
Früher war der Mann gegangen, der Pelzmantel von vorne geöffnet, wenn der Wind aber anfing zu probieren, zog der Mann die Seiten des Pelzmantels zu. Der Wind wehte und wehte von einer Seite und von der anderen, konnte dem Mann den Pelzmantel aber nicht ausziehen.
Die Sonne fing an, den Wind zu spotten.
Nun sagte der Wind zu der Sonne:
"Wenn du meinst, daß du kannst, mache eine Probe, ob du kannst oder nicht."
Nun fing die Sonne an, ihre Kraft zu probieren und der Wind sah zu.
Die Sonne ging dem Mann hinter den Rücken und fing an zu scheinen. Der Mann hielt und hielt die Seiten des Pelzmantels fest zu, aber wie lange kannst du halten, wenn es schon sehr heiß wird. Er machte den Mantel von vorne auf. Er ging und ging weiter, die Sonne aber schien und schien. Das Männchen konnte nicht anders, als daß er den Pelzmantel auszog. Der Wind aber sah mit wässrigen Augen zu, wie die Sonne dem Mann mit wenig Mühe den Pelzmantel auszog.
Von dieser Zeit an ist der Wind immer auf die Sonne böse, da er selbst den Pelzmantel des Mannes nicht ausziehen konnte, die Sonne es aber so leicht tun konnte.
277. Die Sonne und der Wind. S 23641/2 (41) < Setu, Rotova v.,
Zilli k. - Timofei Linna < Avdotja Vislapuu (1930). - AT 298 - 17 Varianten. In
Estland auch als gereimtes Volkslied bekannt.

Zwei Fröste gingen Leute fangen. Der eine Frost in einen prächtigen Schlitten und griff den Herren an, der andere ging aber auf den Schlitten eines Arbeiters. Später erzählten sie einander davon, was ihnen passiert war. Derjenige, der in den prächtigen Schlitten gegangen war, sagte:
"Ich hätte ihn schon fast gefangen, aber der Kutscher ging in ein Haus, das neben dem Weg stand und brachte auch den Herren herein. Dort konnte ich nichts anderes tun als wegkommen."
Der andere erzählte:
"Als ich sah, daß du in den Pelzmantel des Herren krochst, dachte ich, wenn er den Herren im dicken Pelzmantel angreifen kann, ist es mir gar leicht, den Arbeiter in seinem alten kaputten Pelzmantel zu fangen. Als ich aber in seinen Pelzmantel kroch, stieg er gleich vom Schlitten aus und fing an, mit den Händen zu fuchteln. Er wollte meine Augen kaputt schlagen.
Wenn er im Wald anfing, Holz zu schlagen, legte er seinen Pelzmantel auf einen Baumstumpf. Ich ging in den Pelzmantel. Der Arbeiter nahm den Pelzmantel und schlug ihn mit der Axthaube, bis er weich wurde. Dann hängte er ihn über das Feuer schmelzen. Das wollte mein Leben nehmen. Ich kam noch mit dem Leben davon!"
278. Zwei Fröste. ERA II 148, 299/300 (48) < Rapla - Emilie Poom
< Olga Arjakse, geb. 1908 (1937). - AT 298 A - 17 Varianten. Als Übersetzung aus
dem Russischen in estnische Schulliteratur eingeführt.

Es saß der Wind, der Frost und die Hitze zu dritt auf dem Wegrand. Ein alter Mann ging vorbei und grüßte:
"Grüß dich, Wind, guter Mann!"
Der Frost fing an zu drohen:
"Warte! Es kommt der Winter, dann werde ich euch alle erfrieren!"
Der Wind sagte:
"Hab keine Angst! Wenn ich nicht wehe, passiert nichts."
Die Hitze drohte:
"Warte! Wenn der Sommer kommt, werde ich euch alle verbrennen!"
Der Wind wieder:
"Habe keine Angst! Wenn ich nicht wehe, passiert euch nichts."
So kann der Wind immer helfen.
279. Der Mann grüßt den Wind. ERA II 259, 406 (5) < Rõuge, Haanja
v. - Ello Kirss < Leena Herne, geb. 1853 (1939). - AT 298 A* - 5 Varianten.

Einmal kam das Gewitter in ein Haus und schaute herum. Einer schlief, der andere aß, der dritte las.
Das Gewitter dachte:
"Welchen werde ich jetzt abnehmen? Der Schlafende, der weiß nichts, der Lesende, der betet zu Gott, aber der Essende, der sündigt umsonst."
So schlug das Gewitter den Essenden tot.
280. Das Gewitter. ERA II 5, 66 (1) < Pärnu-Jaagupi - Voldemar
Erm (1928). - Mtº 299 - 1 Variante.