WALDTIERE



Der schlaue Fuchs

Einmal lebte ein altes Weib mit seinem Gatten. Es war kurz vor Weihnachten. Das alte Weib forderte den Mann auf, das Pferd anzuspannen und Fische zu holen. Selbst fing es zu Hause an, Festessen zu kochen und Piroggen zu backen. Der Alte spannte das Pferd an und fuhr zum Strand Fische holen.
Kam er am Strand an, bekam auch gute Fische und machte sich auf den Weg nach Hause. Er fuhr und fuhr, dann sah er den Fuchs auf dem Weg liegen. Der Fuchs, dieses schlaue Tier, roch schon von weitem den Geruch der Fische und legte sich auf den Weg. Er dachte: Der Mann kommt und legt mich auf den Fischhaufen, dann kann ich Fische fressen und später weglaufen und mich bei dem Fischebringer bedanken. Wie gedacht, so gemacht.
Der Mann kam bei dem Fuchs an und sah, daß dieser tot war. Er freute sich, nahm den Fuchs am Schwanz und warf ihn auf den Schlitten und deckte mit der Decke zu. Der Fuchs fing an, heimlich Fische zu nehmen und runterzuwerfen. Der Fischmann aber fuhr und dachte, daß vom Fuchs seinem Weib ein guter Kragen wird und daß er außerdem noch ein Dankeschön bekommt. Fuhr der Alte und freute sich.
Der Fuchs aber warf in dieser Zeit schon alle Fische runter, sprang auch selbst runter, ohne daß der Mann ihn gesehen hätte, und fing an, die Fische zu sammeln. Er sammelte alle Fische zusammen und fing an zu fressen. Da hatte auch der Wolf in seine Nase den Geruch der Fische bekommen. Er kam zu dem Fuchs und fing an zu bitten:
"Lieber Gewatter, woher hast du so viele Fische? Gib auch mir etwas zu kosten!"
"Woher ich sie habe! Ich fing sie aus dem See. Du kannst auch selbst fangen, im See gibt es sie noch genug!"
Der Wolf schämte sich und das Wasser lief ihm im Munde zusammen, wenn er den Fuchs fressen sah.
"Lieber Gewatter, kannst du auch mir das Fischefangen lehren," sagte der Wolf.
Dann nahm der Fuchs auch ein Fischlein und gab dem Wolf und dann fing er an zu lehren, wie man Fische fängt.
"Gehe zum See und such dir ein Loch, dadurch kannst du deinen Schwanz ins Wasser lassen. Dann sitzt du dort solange, bis die Fische kommen."
Der Wolf hörte mit Freude, daß der Fischfang so leicht geht und fragte:
"Wie lange muß ich denn sitzen?"
Der Fuchs erwiderte:
"Je länger, desto besser, desto mehr Fische haken sich an."
Der Wolf hörte sich die kluge Rede des Fuchses an, lief zum See und fing an, ein Loch zu suchen, um dadurch den Schwanz reinzulassen. Nach langem Laufen fand er das Loch, woher die Dorfleute Wasser holten.
Das Wetter war kalt. Eigentlich wollte der Wolf dem Dorf nicht so nah gehen, aber er mußte. Anderswo gab es kein Loch. So steckte er seinen langen Schwanz in den See und fing an, am Loch zu sitzen und zu warten, bis Fische kommen.
Der Fuchs hockte auf dem Hügel und lachte den Wolf aus. Dieser aber saß und saß. Zwischendurch überprüfte er, ob Fische sich schon angehackt haben. Seiner Meinung nach waren es immernoch zu wenig und so wartete er bis zu dem nächsten Morgen. Dann wollte er seinen großen Fischhaufen rausziehen. Zog und zog, aber der Schwanz ließ nicht nach, eine dicke Eisschicht hatte sich auf das Loch gebildet. Der Wolf versuchte mehrmals, aber was du nicht kannst, das kannst du nicht. Am Morgen kamen Leute Wasser holen und sahen, daß der Wolf am Wasserloch sitzt.
"Dorfleute, Dorfleute! Der Wolf besudelt das Wasser!" fingen die Weiber an zu schimpfen und liefen zurück ins Dorf, um Äxte und anderes Schlachtzeug zu holen. Der Wolf erschrack sehr, vergaß sogar sein Begehren nach Fichen und wollte den Schwanz rausziehen. Was man nicht kann, das kann man nicht. Es waren mehr Fische gekommen, als er tragen konnte. Inzwischen waren Dorfleute zum See gelaufen, um sich den Fischfanger oder Wasserbeschmutzer anzuschauen; sie verprügelten ihn und fingen an zu hauen!
Schlugen Männer sowie Frauen, so daß der Wolf wie auf heißen Kohlen war und vor Schmerzen hin und her sprang. Nach langem Strampeln konnte er endlich weglaufen und vergaß sogar seinen Schwanz den Dorfleuten.
Durchgeprügelt und blutend lief der Wolf in den Wald und schrie vor Schmerzen. Im Wald traf er den Fuchs und fing an seine Sorge zu beklagen.
Der Fuchs war inzwischen ins Dorf gelaufen. Wenn das ganze Volk zum See gegangen war, trat er in ein Stall ein, kippte den Kuchenteig um und schmierte sich damit voll.
Der Wolf fing an, seine Sorge zu beklagen, aber der Fuchs erwiderte:
"Du hast noch gar nichts zu klagen! Du bist selbst schuld, weil du so viele Fische wolltest, daß du sie nicht rausziehen konntest. Aber sieh dir mich an! Ich wurde so stark verprügelt, daß alles schon eitert!"
Der Wolf glaubte das schon.
Der Wuchs sagte:
"Du, Gewatter, ich bin krank und kann nicht einmal einen Laut von mir geben. Nimm mich auf deinen Rücken, bis ich mich erhole!"
Der Wolf wollte sich bei dem Fuchs für den guten Rat bedanken, nahm ihn deshalb auf den Rücken und ging in den Wald. Der Fuchs setzte sich auf den Rücken und fing bald an zu singen:
"Der Kranke schleppt den Heilen!"
Der Wolf fragte:
"Was singst du?", der Fuchs aber sagte:
"Ich zähle einfach meine Wunden." Der Wolf glaubte ihm und ging weiter.
So lebte der Fuchs mit dem Wolf zusammen solange, bis der Wolf gesund wurde und anfing, dem Fuchs Nahrung zu bringen, alles, was dieser bloß wollte, der Fuchs aber beklagte sich immerzu über sein Unglück und sagte, daß er sehr krank sei.
So lebte der Fuchs aus seiner Schlaue auf Kosten des Wolfs, der Wolf aber bekam vom Volk Prügel und wurde von Hunden gebissen und herumgezerrt.

1. Der schlaue Fuchs. S 11621/9 (8) < Setu - Theodor Kõivastik < Anna Kõivastik (1929). AT 1+2+3/4 - Fischdiebstahl des Fuchses, 107 Varianten + Der Fischfang mit dem Schwanz, 114 Varianten + Der Kranke schleppt den Gesunden, 68 Varianten. Das Märchen ist bei vielen Völkern gut bekannt. In Estland begegnet man häufiger der Kontamination AT 1+2 oder kommt noch ein anderer Typus hinzu. In Setu trifft man fast immer die obengenannte Kontamination.





Fuchs und Wolf wetteifern im Zählen

Es war einmal ein Wolf sehr hungrig, zum Fressen gab es aber nichts. Er schlich zwar zu einer Herde, die zwei fixen und starken Hunde des Hirten ließen ihn aber nicht zu den Lämmern. Auch im Wald lief nichts Eßbares über seinen Weg.
Plötzlich sah der Wolf den Herrn Fuchs vorbeigehen und wollte ihn auffressen. Der Fuchs aber fing an zu handeln:
"Laß uns bis Hundert zählen. Wer zählt schneller?"
Sie machten ab, daß der Wolf in dem Fall, wenn der Fuchs schneller fertig wird, ihn nicht auffressen darf.
Also fingen sie an. Der Wolf zählte:
"E-eins, zwe-ei, dre-ei..."
Der Fuchs aber sagte:
"Eins-zwei und drei, fünf-sechs und zehn, zehn-zehn und hundert!"
Aber der Wolf war nur bis "vier" gekommen. Dann lief der Fuchs schnell weg und der hungrigeWolf mußte allein dableiben.

2. Fuchs und Wolf wetteifern im Zählen ES MT 294, 18 < Kodavere - Salme Tanning < Miina Villemson, 83 J. (1942). - AT 7 - Der Fuchs und der Wolf wetteifern im Zählen, 2 Varianten. In Skandinavien, Finnland und Deutschland messen sich der Fuchs und der Bär mit dem Benennen der Bäume. Manchmal wettkämpfen auch der Mensch und der dumme Riese (AT 1093).




Der Fuchs schafft sich ein Pferd an

Ein Fuchs und ein Wolf gingen den Weg entlang. Der Wolf sah ein Spechtchen am Baum und meinte:
"Ist das Spechtchen da aber schön! Wie könnte bloß ich ebenso schön bunt werden!"
"Es ist gar nicht schwer, ein solches Aussehen zu bekommen!" sagte der Fuchs. "Guck, krieche mal in diesen Haufen hinein, dann wirst du mit einem Mal genauso aussehen wie das Spechtchen."
Der Wolf hatte wohl Lust, schön zu werden. Er ging und kroch in den Haufen. Der Fuchs aber zündete den Haufen von außen an. Dem Wolf wurde es heiß und er sagte:
"Ach, Gewatter, ist es mir aber bitter!"
"Das sind erst die ersten Muster, die so jucken," beruhigte ihn der Fuchs und der Wolf blieb im Haufen warten.
Nach einer kurzen Weile sagte er aber schon wieder:
"Ach, Gewatter, ist es mir aber bitter!"
"Das sind erst die zweiten Muster, die so jucken," antwortete der Fuchs.
Bald fängt der Wolf schon an zu jammern:
"Ach, Gewatter, ist es mir aber schon sehr bitter!"
"Halt es aus! Das sind schon die letzten Muster, die so jucken," sagte der Fuchs. Der Wolf wartete solange, bis er mit dem ganzen Haufen verbrannt war.
Der Fuchs suchte aus der Asche die Knöchenchen des Wolfs aus, sammelte sie in ein Körbchen aus Birkenrinde und hängte es sich um den Hals. Dann ging er auf den Weg und fing an, den Weg entlang zu laufen. Die Knochen um seinen Hals rasselten.
Es kam ihm ein Mann mit dem Pferd entgegen und der Fuchs sagte:
"Guten Tag, Mann, guten Tag! Verkaufe mir dein Pferd!"
"Wieviel wirst du mir geben?" fragte der Mann.
"Ich gebe dir dieses Geld samt dem Sack," und der Fuchs rasselte das Körbchen. Der Mann war einverstanden und der Fuchs erklärte:
"Du sollst nicht gleich in den Sack hineingucken. Geh zuerst nach Hause, rufe deine ganze Verwandtschaft zusammen und dann öffne den Sack. Dann wirst du Glück haben."
Er gab den Sack mit den Knochen des Wolfs dem Mann und der Mann gab ihm das Pferd. Der Fuchs stieg aufs Pferd und fuhr in den Wald, der Mann aber ging mit dem Sack nach Hause.
Es kam ein Hase dem Fuchs entgegen und grüßte ihn:
"Guten Tag, Gewatter, guten Tag! Wie hast zu diesem Reichtum gelangt?"
"Das habe ich wohl alles durch meinen Fleiß bekommen."
"Laß auch mich mitfahren."
"Setz dich auf den Schlitten", sagte der Fuchs und der Hase setzte sich auf den Schlitten.
So fuhren sie einige Zeit, da kam ihnen ein Wolf entgegen:
"Guten Tag, Gewatter, guten Tag! Wie hast zu diesem Reichtum gelangt?"
"Das habe ich wohl alles durch meinen Fleiß bekommen."
"Laß auch mich mitfahren."
"Setz dich auf den Schlitten", sagte der Fuchs und sie fuhren wieder weiter.
Bald kam ihnen ein Bär entgegen:
"Guten Tag, Gewatter, guten Tag! Wie hast du zu diesem Reichtum gelangt?"
"Das habe ich wohl alles durch meinen Fleiß bekommen," sagte der Fuchs wieder.
"Nimm auch mich auf den Schlitten," bat der Bär und der Fuchs empfahl auch ihm, sich auf den Schlitten zu setzen.
So fuhren sie alle zu viert, bis sie hungrig wurden. Der Wolf und der Bär wollten das Pferd auffressen.
Der Fuchs verwehrte:
"Wer als Erster das Pferd angreift, dem fangen die Augen an, Blut zu tropfen."
Niemand hatte den Mut, das Pferd anzugreifen.
So fuhren sie wieder weiter. Dann wurde aber auch der Fuchs selbst schon hungrig. Sie fuhren und fuhren noch weiter... Wie lange kann einer mit leerem Magen fahren!
"Ich habe ein Pferd, aber was soll ich mit ihm anfangen," dachte der Fuchs. So hielt er das Pferd an und fing an, das Pferd zu fressen. Die anderen sahen, daß er schon anfing, sprangen hinzu und bald war das Pferd aufgefressen. Mit vollem Magen fing der Fuchs an, zu bedauern. Er sagte dem Wolf und dem Bären:
"Jetzt habt ihr aber genug bekommen! Warum habt ihr das Pferd aufgefressen? Jetzt gehe ich und bringe den Dorfältesten her."
Und der Fuchs ging ins Dorf. Der Wolf, der Bär und der Hase blieben warten, wie der Fuchs aus dem Dorf zurückkommt.
Nach kurzer Zeit fing der Hase schon an zu wehklagen:
"Ach, da kommt er schon!"
Der Bär und der Wolf guckten und sagten:
"Ach, da kommt er wirklich - eine Eisenstange auf der Schulter. Wohin werden wir jetzt fliehen?"
Der Bär kletterte auf einen Baum, der Hase bückte sich unter einen Busch, der Wolf aber kroch in einen Reisighaufen, so daß nur sein Schwanz zu sehen blieb.
Dann kam schon der Fuchs zusammen mit der Katze und die Katze hielt ihren Schwanz aufrecht. Sie kamen unter den Baum, auf den der Bär gerade hochgeklettert war. Die Katze guckte ringsum und bemerkte das Schwänzchen im Reisighaufen bewegen. Sie dachte, dort wäre eine Maus und sprang knaps! mit den Nägeln hinzu. Der Wolf sprang auf und lief in den Wald.
Die Katze erschrack und kletterte schnell auf die Fichte, dorthin, wo sich schon der Bär versteckt hatte. Der Bär dachte, daß sie ihn totbeißen will, sprang hinunter und genau auf den Rücken des Hasen. Dann stürmten die beiden in den Wald, so schnell wie sie bloß konnten.
Der Fuchs aber hatte selbst angefangen, das Pferd zu fressen und nun fingen seine Augen an, Blut zu tropfen. Er ging zur Dorfärztin Hilfe suchen und diejenige sagte:
"Du kannst deine Augen nur dann heilen, wenn du sie mit Bärenfett schmierst. Das mußt du aber selbst herausfinden, woher du Bärenfett bekommst."
Der Fuchs ging in den Wald, Bärenfett suchen. Er sah, daß der Bär oben an einer großen Fichte Honig fraß und sagte:

"Wer raschelt dort an der Fichte,
wer säuselt dort an der Espe?
Ich höre nicht mit dem Ohr,
ich sehe nicht mit den Augen."

"Das bin ich," brummte das Bär von oben.
"Wenn deine Eltern in alten Zeiten Honig fraßen, warfen sie auch den Armen etwas runter, Stückchen für Stückchen, Bißchen für Bißchen. Dann konnten auch diejenigen gut essen."
"Warum solltest du auch von mir nicht bekommen," sagte der Bär und warf dem Fuchs eine Menge Honig. Der Fuchs fraß den Honig auf und sprach weiter:
"In alten Zeiten, als deine Eltern noch lebten, schlugen sie an der Fichte ein Rad, dann konnten die Armen von unten gut zugucken."
"Warum sollte auch ich nicht ein Rad schlagen," sagte der Bär und fing an, radzuschlagen. Er fiel aber auf die Erde und war tot.
Der Fuchs ging zu ihm, schmierte seine blutenden Augen mit Fett und aß, soviel er wollte. Die Augen wurden mit einem Schlag geheilt.

3. Der Fuchs schafft sich ein Pferd an ERA II 174, 565/70 (5) < Setu, Järvesuu v., Jatsmani k. - Aleksei Tubli < seine Großmutter (1937). - AT 8 + 8* + 158 + 103/4 + Mtº 158 A - Der Fuchs bemalt den Pelz des Wolfes, 29 Varianten + Der Fuchs schafft sich ein Pferd an, 21 Varianten + Der Schlitten geht kaputt, 53 Varianten + Der Krieg zwischen den Haustieren und den Waldtieren, 73 Varianten. + Die Augenarznei für den Fuchs, 3 Varianten.




Die Tiere auf dem Schlitten des Fuchses

Ein Mann hatte im Wald Vogelschlingen aufgesetzt. Er wollte sie überprüfen und fand einen Fuchs in den Schlingen gefangen. Der Mann brachte den Fuchs nach Hause und hielt ihn dort einige Tage, dann aber fing er an zu denken:
"Was soll ich mit ihm anfangen? Ich bringe ihn lieber in die Stadt und verkaufe dort."
So brachte er den Fuchs in die Stadt und verkaufte ihn an einen Gutsherren. Der Gutsherr fragte noch, ob der Fuchs den Befehlen gehorcht.
Der Mann sagte:
"Wenn er harnen will, dann schabt er hinter der Tür."
Der Mann bekam sein Geld, hundert fünfzig Rubel, und ging seinen Weg.
Bald fängt der Fuchs an, hinter der Tür zu schaben. Der Gutsherr merkt das und öffnet die Tür. Der Fuchs aber kommt nicht mehr zurück. Er läuft zu seinem früheren Herren und fragt:
"Zeig, wieviel Geld du von der Stadt bekamst."
Der Mann nimmt den Geldbeutel aus der Tasche und wiegt ihn in der Hand:
"Guck, hier ist das Geld."
Der Fuchs nimmt aber den Geldbeutel von der Hand des Mannes und läuft in den Wald wie der Wind.
Der Mann bereut nicht viel, er sagt nur noch:
"Wie gekommen, so auch gegangen."
Doch ist der Mann aber echt traurig, wenn er nach Hause geht, weil er so schnell eine so große Menge Geld loswurde.
Der Fuchs ist aber wirklich froh. Er geht im Wald herum. Zum Schluß kommt ihm ein Mann mit einem Pferd entgegen.
Der Fuchs denkt:
"Ich brauche ja nicht mehr zu Fuß zu gehen, ich habe Geld genug, ich kaufe lieber ein Pferd."
Er geht zu dem Mann und fängt an zu handeln, um das Pferd zu kaufen. Bald ist alles abgemacht und der Fuchs kauft das Pferd. Er setzt sich auf den Wagen und fängt an, den Weg entlang weiterzufahren.
Auf dem Weg begegnet er einem Hasen, der darum bittet, daß der Fuchs ihn auf den Wagen kommen ließe. Er sagt, er sei den ganzen Tag vor den Hunden geflohen und sei jetzt echt ungelenk geworden. Er könne nicht mehr weitergehen.
Der Fuchs sagt:
"Dann setz dich auf den Wagen, wir werden schon weiterkommen."
Der Hase setzt sich und sie fahren weiter.
Bald kommt ihnen ein Wolf entgegen und grüßt den Fuchs:
"Guten Tag, du Vetter! Nimm auch mich auf den Wagen! Ich bin schon des Gehens müde."
Der Fuchs nimmt auch den Wolf auf den Wagen und sie fahren wieder weiter. Schließlich kommt ihnen noch ein Bär entgegen und bittet:
"Lieber Fuchs, nimmt auch mich mit! Ich habe einen schweren Pelz, bin schon ganz müde." Der Bär wird auch mitgenommen und sie fahren wieder weiter. Zum Schluß geschieht aber ein Unfall: die Deichsel des Wagens geht kaputt. Sie beraten sich über die Sache - was sollen sie jetzt machen.
Bald wird dem Hasen befohlen, aus dem Wald eine Deichsel zu holen. Der Hase geht und kommt bald mit einer Deichsel zurück: ein Schilfrohr quer zwischen den Zähnen!
Der Fuchs sieht das und sagt:
"Wie der Mann, so die Deichsel."
Dann wird dem Wolf befohlen:
"Geh jetzt du eine Deichsel holen!"
Der Wolf geht seinerseits eine Deichsel holen und kommt bald zurück, eine Rute zwischen den Zähnen.
Der Fuchs sagt wieder:
"Wie der Mann, so die Deichsel."
Zum Schluß wird dem Bären befohlen:
"Jetzt geh du eine Deichsel holen!"
Der Bär geht und kommt bald zurück, der Wipfel einer ästigen Fichte in der Hand. Der Fuchs wird schon ganz wütend und sagt:
"Wie der Mann, so die Deichsel."
So bleibt dem Fuchs nichts über als selbst eine Deischel zu holen. Er geht zum nächsten Bauernhof und fragt sich eine Deischel.
Mittlerweile, als der Fuchs die Deischel holen ging, wurden aber der Wolf und der Bär hungrig. Sie zerrissen das Pferd und fraßen es auf, die Haut des Pferdes aber zogen sie zwischen die Deischeln über die Pfähle, damit der Fuchs nichts begriffe, wenn er zurückkommt.
Der Fuchs kommt mit der Deischel zurück und merkt gar nicht, daß die Haut leer ist. Er spannt die Deischel an. Alle setzen sich auf den Wagen und wollen losfahren, das Pferd aber fällt klappernd um.
Was soll man jetzt machen? Wie kann man den Übeltäter fangen? Dem Fuchs fällt wieder eine gute Idee ein. Er weiß, wo sich im Wald eine Wolfsgrube befindet. Sie gehen zusammen hin. Dort befiehlt der Fuchs dem Bären, eine runde glatte Latte zu holen. - Diese Latte legen wir kreuz über die Grube und alle, soviel es uns gibt, müssen über die Latte gehen. Wer in die Grube fällt, der ist schuldig.
Der Bär geht und kommt bald mit der Latte zurück. Die Latte wird kreuz über die Grube gelegt und dem Wolf wird befohlen, zuerst über die Latte zu gehen. Der Wolf geht und fällt in die Grube. Dann wird dem Bären befohlen: "Geh jetzt du, wir werden sehen, ob du schuldig bist oder nicht."
Der Bär geht und fällt auch in die Grube.
"Jetzt du, Hase! Jetzt mußt du auch gehen!" Der Hase geht und fällt auch in die Grube.
Dann war der Fuchs daran. Er fing schon sehr vorsichtig an, aber sein Fuß stolperte ein bißchen und so fiel auch er hinunter.
Sie waren schon ein paar Tage in der Grube gewesen, dann kam der Hunger ihnen zu Besuch. Was soll man jetzt machen? Woher bekommt man etwas zu essen?
Zum Schluß machen sie es so ab, daß sie alle zusammen laut schreien. Wessen Stimme am hellsten klingt, der wird aufgefressen. Alle schrien auf einmal. Die Stimme des Hasen klang am hellsten und er wurde gleich aufgefressen.
Bald hatten sie wieder Hunger. Jetzt machten sie es ab, daß derjenige, der die schrecklichste Stimme hat, aufgefressen wird. Die Stimme des Bären klang am schrecklichsten und bald wurde er Futter für die anderen.
Das Füchslein war aber auch dieses Mal schlauer als der Wolf. Er nahm die Därme des Bären und versteckte sie heimlich unter dem Sand, so daß der Wolf nichts sah. Endlich, als der Bär schon aufgefressen wurde und die Magen wieder leer waren, grub der Fuchs die Därme aus und steckte sie sich ins Maul.
Der Wolf guckt traurig zu, wie der Fuchs frißt, er hat aber selbst nichts. Zum Schluß fragt er:
"Woher nimmst du das?"
Der Fuchs antwortet:
"Ich nehme von unten und stecke mir wieder rein."
Der Wolf versucht es auch, kriegt aber nichts. Der Fuchs merkt das und sagt:
"Du bist selbst so unbeholfen, deshalb kriegst du nichts."
Jetzt bittet der Wolf den Fuchs zu Hilfe. Der Fuchs geht und reißt mit seinen scharfen Nägeln das Gedärm des Wolfs heraus. Der Wolf starb bald danach und der Fuchs blieb allein.
"Was soll ich jetzt machen?" denkt er.
Zum Schluß sieht er einen Specht im Wald fliegen und sagt dem Specht:
"Wenn du mich jetzt nicht aus der Grube rettest, werde ich alle Spechte in der Welt umbringen," und fährt fort:
"Hier auf dem Rand der Grube steht ein großer zerfallener Baumstumpf. Du mußt ihn so hacken, daß die Stücke in die Grube fallen." Der Specht hatte Angst vor den Bedrohungen des Fuchses und fing an, dem Befehl zu folgen - den zerfallenen Baumstumpf mit seinem Schnabel zu hacken. Die Stücke fielen in die Grube und der Fuchs konnte endlich hinausspringen.
Dann sagte der Fuchs dem Specht:
"Jetzt sind wir beide hungrig. Woher bekommen wir etwas zu fressen? Laß uns zum großen Weg gehen, dort wird schon jemand mit dem Mundvorrat vorbeigehen."
Sie gingen zum großen Weg. Es kommt ein Weib den Weg entlang, eine Kuchenschüssel in der Hand.
Der Fuchs sagt wieder dem Specht:
"Geh jetzt du, laufe vor dem Weib auf dem Weg weiter, mach, als ob du gar nicht fliegen könntest. Dann wird das Weib schon die Schüssel auf den Weg stellen und dich fangen kommen. Ich nehme in dieser Zeit die Schüssel und laufe in den Wald."
Der Specht machte genau so, wie der Fuchs ihm gelehrt hatte. Das Weib stellte die Schüssel auf den Weg und fing an, den Specht zu fangen. Der Fuchs nahm die Kuchenschüssel und lief in den Wald. Dann flog auch der Specht zu ihm, um mit ihm zusammen die Kuchen zu teilen.
Sie lebten dann noch lange Zeit in Freundschaft.

4. Die Tiere auf dem Schlitten des Fuchses. H III 21, 155/66 (1) < Suure-Jaani - Henr. Mikkor (1895). - AT 8* + 158 + 136 A* + 20 A + 21 + 56 C* (1*) - Der Fuchs schafft sich ein Schlitten an, 21 Varianten + Der Schlitten geht kaputt, 53 Varianten + Das Beichten der Tiere, 21 Varianten + Die Tiere in der Grube, 68 Varianten + Das Fressen der eigenen Eingeweide, 64 Varianten + Der Fuchs fordert Essen, Trinken und Lachen, 45 Varianten. (Der Fuchs stiehlt den Korb, 43 Varianten.) Die vereinzelten Teile des vorliegenden kontaminatorischen Märchens werden beim Erzählen meistens zu einem Ganzen geknüpft.




Die neuen Augen des Fuchses

Ein Fuchs strolchte in Wäldern und auf Wiesen. Einmal kam er zu dem See Muru. Dort baute ein Kätner ein Floß, um auf See zu gehen. Der Fuchs sah den Mann arbeiten und sagte:
"Mann, mach auch mir so ein Flößchen!"
Der Mann erwiderte:
"Wenn du noch trödelst, werde ich dich auf den Stein in der Mitte des Sees werfen!"
Der Fuchs sagt wieder:
"Mach auch mir so ein Flößchen!"
Der Mann nahm den Fuchs fest und warf auf den Stein in der Mitte des Sees.
Jetzt war der Fuchs in Not, bat die Fische zu Hilfe. Die Fische kommen, zuerst kommt ein großer Hecht.
Der Fuchs prahlt:
"Auf deinen Rücken werde ich mich auf keinem Fall setzen!"
Dann kommt eine Quappe. Der Fuchs schimpft wieder:
"Auf deinen Rücken, du Bündel, werde ich auf keinem Fall kommen!"
Es kommt ein Kaulbarsch:
"Hau ab, du Knochenrücken!"
So kamen viele Fische vorbei, einer hatte einen Fehler, der andere einen anderen. Zum Schluß kam ein bunter Aal.
"Komm näher, sonst werden meine Füßchen naß!"
Der Aal kam dicht zu dem Stein. Knaps! Nahm der Fuchs den Aal in die Hand und warf ihn auf die Küste. Dann schwamm er auch selbst gleich zur Küste.
Er sammelte Reisig, machte ein Feuer, fing an, den Aal zu backen. Das Feuer krachte und knisterte. Der Fuchs dachte, daß die Jagdhunde kommen. Er guckte herum und verstand, daß das Knistern aus dem Feuer kam. Er nahm den Aal und warf ihn auf einen Stein. Heiße Fleischstücke sprangen ihm in die Augen und verbrannten seine Augen.
Der blindgewordene Fuchs strolchte im Wald. Er bat eine Birke, daß sie ihm die Augen liehe.
"Ich habe keine!" antwortete die Birke.
Er fragte eine Kiefer und bekam die gleiche Antwort. Dann kam er zu einer Espe:
"Leihe mir deine Äuglein! Morgen bringe ich sie dir zurück. Ich verließ meine Augen bei dem Berg Munamäe." Die Espe gab.
Der Fuchs ging und sang:
"Ich nahm die Augen der Espe für immer,
ich nahm die Augen der Espe für immer!"
Als die Espe das Lied des Fuchses hörte, fing sie an, dem Schelm nachzujagen, konnte ihn aber nicht mehr fangen. Sie konnte nur die Spitze seines Schwanzes berühren. Von dieser Zeit an hat der Schwanz des Fuchses eine weiße Spitze.
Da er aber die Augen von der Espe bekam, sind die Augen [rot] wie gebrannt.

5. Die neuen Augen des Fuchses. E 21353/6 < Karksi - E. Kitzberg < Karl Tobi (1895). - AT 8*** - Die neuen Augen des Fuchses, 5 Varianten. Als Märchen wurde der Text zum ersten Mal auf Grund des lappländischen Materials bezeichnet, da die Verhältnisse der lebendigen und leblosen Natur in dortigen Volkserzählungen unterschiedliche Haltungen widerspiegeln als in Estland. Vgl. AT 234 und 158 A.




Der Bär und der Alte

Im Frühling pflügte ein alter Mann das Feld. Ein Bär kam zu ihm und fragte:
"Was wirst du sähen?"
Der Mann antwortete:
"Hafer."
Der Bär sagte dem Mann:
"Laß uns ein Geschäft machen: die Wipfel kriege ich, die Stämme kriegst du." Der Mann aber pflanzte dort Kartoffeln. Im Herbst in der Zeit der Haferernte kam der Bär Hafer suchen, bekam aber nur die Stämme von Kartoffeln.
Im nächsten Frühling pflügte der Mann wieder das Feld. Der Bär kam und sagte:
"Dieses Mal kriege ich die Stämme und du die Wipfel." Der Mann säte dieses Mal Hafer.
Im Herbst kam der Bär die Stämme suchen und bekam nur Haferstroh. Der Bär geriet in Zorn und sagte dem Mann:
"Du mußt mir deinen schwarzen Ochsen geben!" Der Mann versprach es zu geben, wollte aber zuerst doch noch in den Wald gehen und Holz holen.
Der Fuchs sah den Bären mit dem Mann sprechen. Als der Bär wegging, kam der Fuchs zu dem Mann und fragte nach der Lage der Sachen. Der Mann erzählte alles. Der Fuchs versprach es, ihm zu helfen, mit der Bedingung, daß der Mann ihm einen Sack voll Küken und einen Bündel Späne gibt.
Der Bär kam am gesagten Tag in den Wald, früher als er kam aber der Fuchs, dem der Mann Späne um den Körper band und einen Span in die Hand gab.
Der Bär kam an und sagte: "Gib mir jetzt den Ochsen!" Der Mann bat, daß der Bär ein bißchen warten würde. Dann kam schon der Fuchs zu ihnen. Der Bär sah den Fuchs und fragte:
"Wer ist das?"
Der Mann antwortete:
"Das ist der Waldhüter!" Der Bär wollte weglaufen, aber der Mann schlug ihm vor:
"Leg dich hier hin, dann denkt er, daß du ein Baumstumpf bist."
Der Bär tat wie gesagt. Der Fuchs kam und fragte:
"Was liegt denn da?"
Der Alte antwortete:
"Ein Baumstumpf."
"Warum hat ein Baumstumpf Äste? Die muß man ja abshauen und die Axt muß man ja in den Baumstumpf einschlagen."
Der Bär öffnete das Maul, damit der Alte ihm die Axt ins Maul stecken könnte. Der Alte aber haute ihm den Kopf ab.
Jetzt ging der Mann nach Hause Küken holen, steckte aber zwei große Hunde in den Sack und brachte sie dem Fuchs. Der Fuchs sagte:
"Das sind keine Küken, sondern Hunde." Der Mann widersprach dem Fuchs - das seien Küken. Der Fuchs sagte:
"Laß sie denn raus, ich werde sie schon fangen."
Der Alte ließ die Hunde los und sie liefen dem Fuchs nach. Schließlich gelang es dem Fuchs, sich in einem hohlen Baum zu verstecken. Dort fragte er seine Augen:
"Was habt ihr gemacht?"
Die Augen antworteten: "Wir suchten nach Versteck."
"Die ersten Füße, was habt ihr gemacht?"
"Wir gingen, wo die Augen hinschauten."
"Die hinteren Füße, was habt ihr gemacht?"
"Wir folgten den ersten Füßen."
"Aber du, Schwanz, was hast du gemacht?"
"Ich hielt den Kurs."
"Ach, du hieltest den Kurs!" und der Fuchs gab den Schwanz den Hunden und mit dem Schwanz auch sich selbst.

6. Der Bär und der Alte. H II 36, 579/80 (30) < Vaivara - Kultmann (1890). - AT 9 + 154 II-IV - Der ungerechte Partner, 41 Varianten + Der Bär als Klotz und Der Fuchs und sein Schwanz, 105 Varianten. In vielen estnischen Varianten ist die Rede von einem Mann und einem Bären, die zusammen Ackerbau treiben und die Ernte verteilen. Die vorliegende feste Kontamination kommt 27 Mal vor. Das Sujet von dem gemeinsamen Ackerbau ist in Estland ebenso bekannt mit anderen handlenden Figuren, nämlich mit dem dummen Teufel und seinem klugen Knecht - AT 1030. Was dieses Sujet anbelangt, so ist Estland ein Zentrum der Transformationen: von Estland südlich und östlich verschwindet die Tiergestalt; in den nördichen Gegenden dagegen treten nur Tiere auf (siehe auch den nächsten Text). Die Texte mit dem dummen Teufel bilden keine festen Kontaminationen.




Der Fuchs und der Wolf dreschen Korn

Es strolchten einmal ein Fuchs und ein Wolf im Wald und fanden an einer alten Feuerstätte einen Mistkäfer. Der Fuchs befahl dem Wolf zu kosten, ob der Käfer gut schmeckt. Der Wolf kostete und lobte, daß er knusprig genug sei. Er bot den Käfer auch dem Fuchs an, aber dieser sagte, daß der Wolf aus Freundschaft den ganzen Käfer selber haben könne.
Dann bummelten sie noch weiter und kamen zu einem Heuschober. Dort lag das Essen der Heuarbeiter. Der Fuchs sagte:
"Jetzt bin ich an der Reihe."
Er fing an zu kosten, spuckte aber das erste Stück hinaus und sagte:
"Och, Bruder! War das aber bitter! Das kann man gar nicht essen!"
Der Wolf sagte:
"Laß auch mich ein bißchen kosten."
Der Fuchs aber verbot es, der Wolf solle nicht sein Maul verderben. Das Essen sei schlecht und tauge gar nichts. Aber siehst du - sonst wäre der Hungertod gekommen und so mußte der Fuchs aus Not sogar das fressen. So aß der Fuchs alles allein aus und der Wolf konnte es nicht einmal kosten.
So gingen sie wieder weiter und kamen bei einer Dreschscheune an. Dort war ungedroschenes Gedreide aufgelegt.
Der Fuchs sagte:
"Bruder, wir sollten das Getreide dreschen. Dann hätten auch wir Wintervorrat, so wie es alle Leute haben."
Der Wolf war damit zufrieden und sie fingen an zu arbeiten. Der Fuchs ging nach oben und fing an, die Getreidegarben hinunterzuwerfen. Er warf alles hinunter, selbst aber blieb oben. Er saß an der Darrstange und sah zu, wie der Wolf arbeitete, so daß der Staub sich aufwirbelte.
Endlich wurde der Wolf müde und rief zu dem Fuchs:
"Es soll der Teufel dich holen! Wie lange soll ich allein dreschen! Was kauerst du da an der Darrstange, daß du nicht einmal zur Arbeit kommst! Ich allein kann auch nicht mehr!"
Der Fuchs an der Darrstange bewegt sich nicht, er sagt nur dem Wolf:
"Guck, Bruder, ich halte dein Leben. Siehst du, ich darf mich gar nicht bewegen. Ich halte die Spitze der Darrstange, sonst würde sie dir auf den Kopf fallen und dich umbringen."
Als der Wolf das gehört hatte, war er sehr erschrocken und sagte:
"Laß es sein. Bleib dort und halte die Dreschstange, ich werde schon allein die Arbeit zu Ende machen. Die Hauptsache ist, daß ich am Leben bleibe."
So drosch der Wolf allein das ganze Getreide. Zum Schluß war er so naß vom Schwitzen, als wäre er ins Wasser gefallen. Der Fuchs aber lag ruhig an der Darrstange. Als das Getreide dann in einem Haufen war, rief der Wolf:
"Komm jetzt herunter! Jetzt kannst du die Darrstange loslassen, ich habe das ganze Getreide schon zusammengetan, wir können anfangen, es zu schwingen!"
Sie schwangen das Getreide, bis es ganz sauber war. Dann fingen sie an, das Getreide unter einander zu verteilen.
Der Fuchs sagte:
"Bruder, du hast dir doch beim Dreschen mehr Mühe gegeben als ich beim Festhalten der Darrstange. Es ist wohl recht, wenn du den größeren Haufen bekommst, mir aber soll der kleinere bleiben."
Der Wolf war damit zufrieden und nahm sich den großen Stroh- und Spreuhaufen, der Fuchs aber bekam den kleinen Kornhaufen.
Der Fuchs backte sich aus dem Kornmehl ein Brot, das als ein Frischkäse aussah, dem Wolf wollte sein Strohbrot aber gleich in kleine Stücke bröckeln.
Einmal fragte der Wolf den Fuchs:
"Bruder, warum ist dein Brot so hart?"
Der Fuchs erklärte:
"Wie soll das denn anders sein? Du hast doch beim Dreschen mehr Mühe gehabt und dein Brot ist weich und gut zum Essen. Ich muß mir bei meinem Brot aber mehr Mühe geben als beim Dreschen. Ich kann kaum etwas abbeißen."

7. Der Fuchs und der Wolf dreschen Korn. H II 3, 203/4 (51) < Vastseliina - Heinrich Prants (1887). - AT 65* - Der Fuchs brät den Käfer, 35 Varianten + 9 ABC - 2 Varianten. Das in Finnland und Nordkarelien populäre Märchen vom Fuchs und dem Bären hat in Estland (Südestland) nur zwei Varianten, in welchen der Fuchs und der Wolf als handelnden Figuren auftreten.




Der Fuchs füttert den Wolf mit aus dessen Sohn zubereiteter Kost

Ein Fuchs hatte irgendwie ein Lamb bekommen, brachte es in seine Höhle und fing an zu fressen, hatte schon eine Hälfte aufgefressen. Nicht weit von der Fuchshöhle war zufällig auch eine Wolfhöhle. Der Wolf roch den Geruch rohen Fleisches und da er seine Fleischgier gar nicht mehr zurückhalten konnte, fing er an, die Quelle des Geruchs zu suchen. Dem Geruch folgend kam er natürlich zum Fuchsbau.
Der Wolf fängt gleich an zu schreien:
"Gib eine Hälfte her, ich bin hungrig! Wenn du nicht gibts, fresse ich dich selbst auf!"
Der Fuchs empörte sich über den unerwarteten Gast, faßte aber doch den Beschluß, sich demütig zu stellen und sagte:
"Lieber Fürst der großen Tiere! Wie sollte ich dir diese Hälfte geben? Das darf nicht geschehen, so würde ich ja dich und mich selbst schänden. Komm morgen. Ich will dir ein ganzes Lamb geben!"
Als der Wolf einen solchen Lob hörte, stieg ihm der Schwanz höher als sonst und er antwortete:
"Gut. Ich vertraue deinem Manneswort und komme morgen wieder."
Der Fuchs fraß das Fleisch auf und fing an, einen Schabernack auszudenken.
Am nächsten Tag lauerte er bei der Wolfshöhle. Als der Wolf wegging, entwendete er einen Wolfsjungen, brachte ihn nach Hause, zog seine Haut ab und wartete auf den Wolf. Dieser kam. Der Fuchs kommt wie ein feiner Kammerdiener und bringt sich beugend ihm seinen Sohn: "Nehmen Sie von Ihrem untertänigen Diener diese nichtige Gabe!"
Der Wolf fraß freudig das Fleisch auf und ging nach Hause. Die Jungen klagen:
"Ein gelber Onkel schleppte den einen Bruder weg!"
Der Wolf verstand nun, was passiert war, ging zurück, um sich am Fuchs zu rächen, dieser war aber schon aus seiner Höhle weggezogen.

8. Der Fuchs füttert den Wolf mit aus dessen Sohn zubereiteter Kost. E 22877/9 (9) < Lääne-Nigula - Johannes Prooses (1896). - Mtº 14 - die einzige Variante, wahrscheinlich entstanden unter dem Einfluß des Märchens von dem dummen Teufel AT 1119 als dessen Paralele.




Seit wann sind Katze und Maus Feinde

In alten Zeiten fanden eine Katze und eine Maus ein Gefäß mit Fett. Sie überlegten, wann sie das Fett auffressen sollten. Die Maus sagte der Katze, am demselben Tag gehe es nicht, sie sei zur Kindtaufe eingeladen.
Die Katze fragte:
"Wann denn?"
"Lieber morgen."
Die Katze wartete geduldig auf den nächsten Tag; dann ging sie zur Maus und fragte:
"Warst du zur Taufe?"
"Jaa."
"Wie hieß das Kind?"
"Ein Bißchen am Rand," sagte die Maus.
"Ist das aber ein komischer Name!" war die Katze erstaunt.
"Ist wohl, aber so wurde es genannt."
"Wollen wir jetzt Fett fressen?" fragte die Katze.
Die Maus erwidert, es passe ihr wieder nicht, es komme noch eine Kindtaufe.
Die Katze fragt:
"Wann wollen wir denn fressen?"
"Dann lieber morgen."
Wieder wartete die Katze geduldig auf den nächsten Tag. Da kommt die Katze zu der Maus und fragt:
"Warst du zur Kindtaufe?"
"Jawohl."
"Wie wurde das Kind geheißen?"
"Boden Leer."
"Schon wieder ein merkwürdiger Name! Wollen wir jetzt Fett fressen?" fragte die Katze.
"Ich kann immer noch nicht. Es kommt noch eine Taufe. Aber morgen habe ich nichts mehr vor, dann geht es."
Wieder wartete die Katze, ging dann zur Maus und fragte:
"Wie war der Name?"
"Alles zu Ende," antwortete die Maus.
Dann verstand die Katze, was zu Ende war, daß das Fett zu Ende war.
a) Sie griff nach der Maus und fraß sie auf. Von der Zeit an sind Katze und Maus Feinde.
b) Die Katze wurde auf die Maus sehr wütend und wollte sie auffressen. Die Maus aber konnte weglaufen. Von der Zeit an sind Katze und Maus auf einander böse.
(Die Erzählerin kennt beide Varianten.)

9. Seit wann sind Katze und Maus Feinde. RKM II 153, 138/41 (4) < Otepää - Ingrid Sarv < Salme Sarv, geb. 1903 (1961). - AT 15 - Falscher Taufschmaus. Aus Estland gibt es 9 Varianten mit Katze und Maus als handelnden Figuren.



Federbüschel

Ein gehungerter Wolf stahl aus einem Bauernhof ein Huhn. Unterwegs begegnete er einem Fuchs.
"Was trägst du?" fragte dieser.
"Ein Huhn," war die Antwort.
Der Fuchs sagt:
"Das Tragen eines solchen Federbündels lohnt sich ja nicht. Wirf weg!"
Der Wolf ließ das Huhn auf die Erde fallen. Der Fuchs schnappte das Huhn schnell zwischen seine Zähne und lief weg.

10. Federbüschel. RKM II 7, 93 (15) < Rakvere - August Krikmann < Evi Õunas (1946). - AT 15* - die einzige Variante.




Der Hund kann das Schreiben nicht lesen

Einmal trafen sich ein Fuchs und ein Wolf und fingen an zu überlegen, woher man besser etwas zum Essen bekommen kann.
Der Fuchs sagte:
"Ich weiß, wie wir es machen. Du mußt ins Dorf gehen. Du bist stärker, du kannst mehr mitnehmen. Ich gebe dir ein Stück Papier mit. Hier steht geschrieben, daß dich niemand berühren darf. Du gehst ins Dorf und zeigst das Papier und niemand wird dir etwas antun."
Der Wolf ging ins Dorf und trug das Papier. Er war noch nicht ganz am Dorfrand, als schon Hunde kamen, die Mäuler weit offen, es kamen Männer mit Pfählen und Gewehren, Frauen mit Besen und fingen an, ihn zu prügeln. Verprügelten den armen Wolf, bis er schon halbtot war. Mühsam konnte er zum Schluß fliehen. Der Wolf ging zurück zum Fuchs. Dieser fragte:
"Lieber Freund, wie geht es dir?"
"Ja, wie geht es mir! Mit Mühe konnte ich mein Leben retten."
"Warum hast du denn nicht das Papier gezeigt?" fragte der Fuchs.
"Wer hatte da noch Zeit, das Papier zu zeigen, "klagte der Wolf, "und wenn ich auch zeigte, stellte es sich heraus, daß keiner der Hunde schriftkundig war."

11. Der Hund kann das Schreiben nicht lesen. ERA II 190, 475/6 (34) < Setu, Vilo v. - Anna Tammeorg < Veera Muru (1938). - Mtº 25 - 2 Varianten.




Der Fuchs verspottet den Wolf

Einmal, als ein Wolf im Wald bummelte, fiel er in eine Fanggrube. Wohl kratzte er Erde von den Wänden der Grube, um wieder hochzukommen, das half aber nichts. Zum Schluß wurde er so hungrig, daß er vor Pein heulen mußte.
Der Fuchs hörte das Heulen und wenn er sehen wollte, woher dieses Schreien kam, fand er den Wolf in der Grube.
Als der Fuchs ihn erblickte, fing er an, den Wolf zu spotten, schimpfen und über ihn zu lachen und gab ihm diese und jene Namen. Vor lauter Freude lief er um die Grube hin und her. Er stolperte aber und fiel auch selbst in die Grube.
Nun hatte das Spotten und die List des Fuchses plötzlich gleich ein Ende. wohl bat er den Wolf um Erbarmen. Der Wolf schenkte aber ihm kein Gehör, sondern drehte dem Fuchs den Hals um.

12. Der Fuchs verspottet den Wolf. E 16623 (36) < Paistu, Kaarli - J. P. Sõggel (1895). - AT 30 - 13 Varianten. Das in Europa weit bekannte Märchen hat in der estnischen Schulliteratur (seit 1870) ein moralisierendes Ende.




Der Wolf im Brunnen von Vingissaare

In einer Nacht wachten die Bewohner von der Vingissaare Sauna auf, da sie plötzlich ein Geräusch wahrnahmen, das wie das Rollen eines Fasses oder als Schnaufen anmutete. Du lieber Gott, was kann das bloß sein! - So als würde ein Hund keuchen. Niemand wußte, was das bedeuten sollte. Nach einiger Zeit hörten sie wieder ein eigenartiges Geräusch: summat-summat-aech! summat-summat-aech! und so weiter. Da lasen sie das Vaterunser von vorne und von hinten, so gut es ihnen gelang, Zeit dazu hatte man ja genug. Der Schlaf war völlig verschwunden und kam wegen der großen Angst nicht wieder. Immer wieder hörte man summat-summat-aech! Wer kann das beschreiben, was das Saunavolk in dieser Nacht fühlte!
Als es draußen hell wurde, schien alles wieder wie gewöhnlich zu sein. Erst dann faßte ein Mann sein Mut zusammen, um zuerst in den Bauernhof zu gehen. Dort erzählte er die ganze nächtliche Geschichte.
Die Bauern wollten auch dieses Wunderding sehen. Bei der Sauna merkte der Hausherr, daß ein Faß, das sonst unter dem Dach war, sich von dort ausgerollt hatte. Wer konnte das bloß tun, dachte er noch, als er sich umsah.
In einer Gartenecke war ein Brunnen. Als der Hausherr dort hineinblickte, sah er graue Haare am Wasser schwimmen - was kann das bloß sein? Vielleicht ein Soldat mit seiner haarigen Uniform? Der Hausherr nahm eine Deichsel und zog das eine Ende von dem Ding hoch - das war kein Soldat, sondern ein grauer Hund oder so etwas. Man brachte ein Seil und zog mit manchen Männern das Ding auf die Erde.
Als es trockener wurde, wurde es klar, daß es sich um einen echten Wolf handelte. Dann begriff man auch die nächtliche Geschichte und das Keuchen des Hundes.
Der Wolf hatte den Hund aufgefangen, dieser aber war weggelaufen und wollte sich hinter dem Faß verbergen und wo er nur konnte, der Wolf überall hinterher. Der Hund sprang über den Zaun sowie den Brunnen, der Wolf wieder hinterher. Dieser wußte aber nicht, daß es dort einen Brunnen gab und fiel hinein.
Da war von der Stunde der Hundsfang zu Ende und es begann das neue Streben - weg aus dem Brunnen! Da hatte er einen Anlauf genommen - summat-summat, und danach war er aus Leibeskräften hochgesprungen. Da war die ganze Brunneneinfassung abgekratzt, bis er nach langem Springen ermüdete und starb.
Dann wurde seine Haut abgezogen und er nackt in den Wald gebracht. Für die Ohren bekam man drei Rubel, für die Haut ebenso viel und das war's.
Von dieser Zeit an kennen die Leute in der Gegend die Redensart sehr gut: in Not wie der Wolf im Brunnen von Vingissaare.

13. Der Wolf in dem Brunnen bei Vingissaare. H II 26, 534/6 (7) < Suure-Jaani - Mart Kielas (1890). - [Mtº 30 A] - 6 Varianten.




Der Fuchs rettet sich aus der Grube

Einmal floh ein Fuchs vor den Schützen. Vor großer Angst merkte er nicht, daß in der Seite eines Hügels eine offene Kartoffelngrube lag. So fiel er hinein. Nun war der gute Rat teuer - wie kann man wieder hoch?
Zum Glück ging ein Bär vorbei und schaute hinein. Da sitzt der Fuchs am Boden der Grube und leckt sich das Maul.
Der Bär fragt:
"Was machst du da in der Grube, daß dir den Grund gibt, dein Maul zu lecken?"
Der Fuchs antwortet:
"Hier in der Grube ist ein schönes kühles Zimmer und viel Bienenhonig. Komm, siehe, wie gut es hier ist!"
Der Bär fragt:
"Wie komme ich zu dir?"
"Ganz leicht - spring herein! Nur spring ganz leise, damit du die Waben nicht kaputt machst!"
Der Bär sprang in die Grube.
Der Fuchs sprang auf den Rücken des Bären und - weg war er aus der Grube. Der Bär blieb zurück.
Der Fuchs schaute noch mal hinunter und sagte:
"Sei vorsichtig, daß du dich nicht kaputt frißt!"
Der Bär heulte solange, bis die Menschen ihn totschlugen.

14. Der Fuchs rettet sich aus der Grube. ERA II 294, 115/7 (10) < Kaarma, Loodna v. - Tiina Õunpuu < Riidu Iidlane, 86 J. (1941). - AT 31 - Die Flucht aus der Grube auf dem Rücken des anderen 16 Varianten. Seit dem Erscheinen in einer populären Zeitung (1858) wiederholt als Schulbuchtext benutzt worden.




Der eine auf, der andere nieder

Ein Mann ließ im Sommer das Fleisch in seinen Brunnen, damit es frisch bleibt. Ein Fuchs war aber schon vorher in den Brunnen gefallen und war nun in Not. Er wollte sogar dieses Hühnerfleisch nicht fressen.
Na gut, es kam auch ein Wolf zum Brunnen.
Der Fuchs sagte:
"Wenn du nur wüßtest, wie gut es mir hier ist! Siehst du das Fleisch? Komm, Freund, sei mein Gast!"
Der Wolf setzte sich auf den Eimer. Der Fuchs aber ging in diesen Eimer, der im Brunnen drin war, so wog der Wolf den Fuchs hoch. Als die Plätze gewechselt waren, fragte der Wolf:
"Wohin gehst du jetzt, Fuchs?"
"Das ist schon mal der Brauch der Wanderer, einer kommt, der andere geht."

15. Der eine auf, der andere nieder. H, R 3, 109 < Karja, Parametsa - Tuling (1877). - AT 32 - 5 Varianten. In Estland wahrscheinlich durch Übersetzungen aus der deutschen Sprache bekannt geworden: Kreutzwald 1847; Lindfors 1855.




Weg ist der halbe Tag, durch ist der ganze Tag

Ein Igel und ein Fuchs stritten, wer den anderen betrogen kann oder wer schlauer ist. Zum Unglück fiel der Fuchs in eine Fallgrube und bat den Igel, der zufällig vorbei kam, vom ganzen Herzen, ihm hinauszuhelfen. Der Igel versprach zu helfen, wenn nur der Fuchs ihm nachher zum Lohn ein Huhn brächte. Der Fuchs war bereit, alles zu versprechen, wenn er nur wegkönnte.
Da ging auch der Igel in die Grube zu dem Fuchs und sagte:
"Wirf dich auf den Rücken und stecke dir deine Zunge aus dem Maul."
Bald kam der Bauer und fand den toten Fuchs vor und den Igel den Fuchs fressen. Da sagte der Bauer mißmutig:
"Der verdammte Igel verdirbt ja die Haut!" und warf erst den Fuchs, dann den Igel hinaus. Dann stieg er auch selbst aus, um den Fuchs zu schinden, fand den Fuchs aber nirgendwo mehr.
Nach ein paar Wochen kamen die beiden, die gewettet hatten, wieder zusammen und der Igel erinnerte den Fuchs an sein Versprechen. Statt ein Huhn zu bringen, lüftete der Fuchs vor der Nase des Igels nur seine Hose.
Der Igel sagte, ohne darauf die Aufmerksamkeit zu lenken:
"Geht es mir aber gut, ich spiele im Wald auf einer liegenden Harfe, die gar gut klingt."
Der Fuchs fragte gleich neugierig, ob der Igel auch ihm das Spielen beibringen könnte.
Der Igel antwortete:
"Warum nicht, nur wenn du mir zwei Hühner bringst."
Der Fuchs versprach wieder alles.
Da brachte der Igel ihn auf den Rand des Waldes, zeigte eine Vogelschlinge und sagte, das sei die Harfe. Dann befahl er dem Fuchs, die hinteren Pfoten auf die "Saiten" zu legen.
Der Fuchs konnte erst seine Pfoten auf die gezeigte Stelle tun, als sein Hintern schon hochging und anfing, hoch und nieder zu schwingen - eben das, was der Igel unter dem Harfespielen gedacht hatte.
Die Zeit verging. Es war schon Mittag und der Fuchs sagte so komisch:
"Jen, jen, weg ist der halbe Tag."
Am Abend sagte er schon ganz ernst:
"Jen, jen, durch ist der ganze Tag."
Zum Schluß in großer Not:
"Jen, jen, da geht mit die Luft aus."
Der Igel schaute das Harfespielen des Fuchses zu und sagte noch spöttisch:
"Das ist dafür, daß du dein Versprechen nicht hieltest!"

16. Weg ist der halbe Tag, durch ist der ganze Tag. H III 5, 543/4 (3) < Tori, Veskipeal - Chr. Tults (1883). - AT 33 + 151 + 72 C* - Der Fuchs stellt sich tot, 14 Varianten + Der Fuchs lernt das Harfenspiel, 20 Varianten + Der Fuchs in der Falle, 11 Varianten. Wenn der Fuchs sein Versprechen nicht hält, wird das kleinere Tier sich rächen - es lockt den Fuchs in die Falle. Mit dem humoristischen AT 72* beendet man gern verschiedene Kontaminationen. Eine ähnliche Schlußphrase kennt man in Finnland.




Der Fuchs und der Wolf lecken Wasser

Einmal trafen sich ein Fuchs und ein Wolf an einer Quelle. Der Fuchs zeigte dem Wolf, daß ein Goldring in der Quelle lag. Er sagte:
"Laß uns das Wasser austrinken, so kommen wir zu dem Ring."
Also fingen sie an zu trinken. Der Wolf trank allmählich. Darauf sagte der Fuchs.
"Warte mal, ich versuche, vielleicht bekomme ich ihn schon."
Es war aber immer noch zu tief.
Also tranken sie weiter: der Wolf immer einen großen Schluck, der Fucks leck!-leck! jedes Mal ein bißchen.
Der Fuchs versuchte wieder, den Ring zu greifen, konnte aber immer noch nicht. Dann sagte er dem Wolf:
"Du leckst so langsam, siehe, wie schnell ich lecke."
Da platzte der Wolf. Der Fuchs ging auf die andere Seite der Quelle und lachte.

17. Der Fuchs und der Wolf lecken Wasser. E 43882/3 < Narva < Saaremaa - August Raudkell < Suhvie Kestlane (1902). - AT 34 B - Der Wolf will den Käse haben, 3 Varianten. In Estland kennt man dasselbe Sujet viel besser im Zusammenhang mit dem dummen Teufel (AT 1141).




Der Wolf und der Fuchs

Einmal wollte ein Wolf einen Fuchs auffressen. Der Fuchs schlug ihm vor:
"Wenn du so viel laufen kannst wie ich, darfst du mich auffressen, wenn nicht, dann kommst du leer aus."
Auf einer Stelle waren zwei Bäume zusammengewachsen.
Der Fuchs sagte:
"Wenn du zwischen den zwei Bäumen durchlaufen kannst, darfst du mich auffressen. Ich laufe zuerst, dann du."
Der Fuchs lief leicht und schnell durch.
Der Wolf lief zuerst gegen den Baum. Dann zog er sich zurück und versuchte nochmal. Er lief mit einem solchen Schwung, daß er an seinem Bauch zwischen den Fichten stecken blieb.

18. Der Wolf und der Fuchs. E 64345 (10) < Jõelähtme, Nehatu v., Muuga k. - V. E. Poissmann < Liisu Piilberg, 83 J. (1929). - AT 36 - Der Fuchs vergewaltigt die Wölfin, 9 Varianten.




Die Geschichte vom Fuchs

In alten Zeiten ging ein Bauer sich einen Hirten suchen. Es kam ihm ein Wolf entgegen und fragte:
"Wohin des Weges, lieber Hausherr?"
"Ich will mir einen Hirten suchen, mal sehen, ob ich einen bekomme!"
"Nimm mich," sagte der Wolf, "ich will ein guter Hirt sein."
"Kannst du aber auch singen?"
Der Wolf sang, sang solange, bis es in den Ohren des Bauern zu sausen anfing.
"Nein, lieber Wolf, du wirst mir kein Hirt sein, du scheuchst alle meine Tiere ab."
Der Mann ging weiter und es kam ein Hase vorbei. Dieser fragte wiederum:
"Wohin geht's, lieber Hausherr?"
"Ich suche mir einen Hirten, aber ich weiß noch nicht, ob ich einen finde."
"Nimm doch mich," sagte der Hase," ich will ein guter und gehorsamer Hirt sein!"
"Kannst du aber auch singen?" fragte der Mann.
"Das kann ich wohl!"
"Laß mal hören!"
Der Hase piepste in einer unheimlich hellen und kreischenden Stimme.
Da mußte der Bauer sagen:
"Ach, lieber Hase, du paßt nicht, du würdest alle meine Tiere abscheuchen!"
Der Bauer ging weiter. Es kam ihm ein Bär entgegen und fragte den Mann:
"Wohin jetzt, lieber Hausherr?"
"Ich sehe mich nach einem Hirten um, ob ich aber auch einen finde."
"Nimm mich," bat der Bär, "ich will ein guter und gehorsamer Hirt sein.
"Kannst du auch singen?" fragte der Bauer.
"Das kann ich schon!"
"Ich will das hören!" Dann sang der Bär so, daß der Mann seine Ohren mit den Händen zudecken mußte, damit der Bär seine Ohren nicht wegsingt.
"Och, liebes Bärchen, du wirst nicht mein Hirt sein, du scheuchst ja alle Tiere ab!"
Der Mann ging weiter. Es kam ein Fuchs vorbei und auch er fragte:
"In welcher Richtung bist du unterwegs, lieber Hausherr?"
"Ich wollte mir einen Hirten suchen, aber ich weiß nicht, ob ich einen finde!"
"Nimm doch mich, ich will ein guter und gehorsamer Hirt sein."
"Kannst du aber auch so singen, wie es Hirten tun?" fragte der Bauer.
"Das kann ich gut!"
"Laß mal hören!"
Der Fuchs sang:
"Friß, Herde, hello,
trink, Herde, hello,
eine Esche am Weg, hello,
breite Blätter, hello!"
Der Bauer mochte dieses Lied gut und nahm den Fuchs mit. Der Fuchs ging mit der Herde auf die Wiese, beobachtete aber sehr aufmerksam alles, was die Hausfrau tat. So sah er sehr gut, wohin die Frau das Butterfaß brachte - auf den Dachboden!
Es kam der Samstag. Die Familie ging in die Sauna und man lud auch den Fuchs ein:
"Du, Hirt, komm doch mit in die Sauna," sagte der Bauer.
"Och, lieber Herr, heute habe ich keine Zeit, in die Sauna zu gehen, heute bin ich zur Taufe meines jüngeren Bruders eingeladen!" Und so ging er auch.
Als er zurückkam, fragte die Hausfrau:
"Na, Hirt, wie wurde dein jüngerer Bruder geheißen?"
"Anfang," sagte der Fuchs.
"Schöner Name. So einen habe ich noch nie früher gehört."
Der Fuchs war wieder eine Woche mit der Herde auf der Wiese, bis wieder der Samstag kam. Die Familie ging in die Sauna und die Hausfrau rief dem Fuchs zu:
"Lieber Hirt, komm mit uns in die Sauna!"
"Ach, liebe Hausfrau, ich habe wieder keine Zeit, heute ist die Taufe meines mittleren Bruders."
So ging der Fuchs weg. Als er zurückkam, fragte wieder die Hausfrau:
"Wie war der Name, lieber Hirt, den dein mittlerer Bruder bekam?"
"Hälfte," sagte der Fuchs.
"Netter Name, ich habe keinen solchen früher gehört," sagte die Hausfrau.
Jetzt war der Fuchs wieder eine Woche mit der Herde auf der Weide. Als der Samstagabend kam, ging die Familie wieder in die Sauna und die Hausfrau sagte dem Fuchs:
"Du, lieber Hirt, komm doch mit in die Sauna!"
"Och, Hausfrau, geht ihr früher, ich werde schon hinterher kommen. Zuerst muß ich gehen und meinen letzten Bruder taufen!"
Der Fuchs ging weg und kam nach einer Weile in die Sauna. Er stieg auf die Schwitzbank und die Hausfrau quästete ihn mit der Badequaste. Wieder fragte die Frau:
"Na, Hirt, wie wurde dein ältester Bruder getauft?"
"Endstück."
Die Hausfrau begriff immer noch nichts und sagte nur:
"Schöner Name. Ich habe noch nie einen solchen gehört," und quästete weiter.
Bald fing der Fuchs an zu singen:
"Dankeschön, gute Hausfrau!
Ich habe dein großes Milchfaß leergefressen,
habe deinen Quarkkessel aufgeräumt!
Nun ist es an der Zeit, daß ich selbst weggehe!"
Erst jetzt verstand die Hausfrau, daß der Fuchs keine Brüder getauft hatte, sondern auf dem Dachboden Butter gefressen hatte.
Das erste Mal besuchte der Fuchs den jüngeren Bruder, dann war der Name "Anfang" - also öffnete er das Faß. Als er zum zweiten Mal weg war, war der Name "Hälfte", also war eine Hälfte aufgefressen, und als er zum letzten Mal ging, dann war der Name "Endstück". Also war das Faß schon leer, er leckte den Boden. Jetzt endlich hatte die Hausfrau die List des Fuchses begriffen, sie griff nach einem Besen und fing an zu prügeln! In großer Wut schlug die Frau dem Fuchs einmal ganz stark auf den Hintern, so daß der Besen tatsächlich dort blieb!
Von dem Tag an hat der Fuchs einen so großen Schwanz, der so aussieht wie ein Besen.

19. Die Geschichte vom Fuchs. S 33301/9 (8) < Setu, Võõpsu k. - Nikolai Sõrmus < Maria Kütte, geb. 1862 (1931). - AT 37* + 15 - Der Fuchs als Gänsehirt, 61 Varianten + Falscher Taufschmaus, 101 Varianten. Eine lokale Redaktion von einer mehr bekannten Erzählung. Besonders populär in Setus und eben in der hier vorkommenden Kontamination. Das Lied des Fuchses wird mit Melodie vorgetragen. AT 37* knüpft sich leicht an die Typen AT 170, 158 oder 136 A*. Selten tritt auf die Stelle des Fuchses der Junge; in solchen Fällen handelt es sich um AT 333.




Die Tatze in der Baumritze

Ein Bär fragte einen Fuchs:
"Weißt du, woher man Honig bekommt? Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen."
Der Fuchs wußte, daß ein Bauer irgendwo einen halbgespaltenen Eichenstumpf gelassen hatte, dem ein Pfahl in die Spalte gesteckt war. Er sagte dem Bären:
"Ja, ich weiß. Wir müssen aber in der Nacht gehen, und leise müssen wir auch sein."
Der Bär versprach, leise zu sein.
So gingen sie in der Nacht zum Baumstumpf. Der Fuchs sagte:
"Der Baum ist runtergefallen und es sind keine Bienen mehr da, nur der Honig allein. Stecke deine Pfoten zwischen die Spalte, dann fängt der Honig an zu fließen. "
Der Bär steckte seine Pfoten zwischen die Spalte. Der Fuchs zog den Pfahl heraus und der Bär konnte nicht mehr weg. Der Bär fing an zu schreien.
Der Fuchs spottete:
"Du, Bär, solltest nicht so viel fressen, daß du Bauchschmerzen bekommst!"
Die Hausbewohner wachten wegen des Schreiens auf und sahen: ein Bär auf dem Hof! Sie nahmen Knüppel und schlugen den Bären, bis er fast tot war. Mit großer Mühe zog der Bär seine Pfoten heraus, ließ seine "Handschuhe" aber dem Bauern.
Danach hatte der Bär lange Zeit keine Lust auf Honig mehr.

20. Die Tatze in der Baumritze. ERA II 289, 70/1 (9) < Kaarma, Loona v., Ahjala k. - Tiina Õunpuu < Riidu (Priidu) Anis, geb. 1854 (1940). - AT 38 - 17 Varianten. Ähnliche Typen sind AT 151 und der mit dem dummen Teufel AT 1159.




Der Fuchs und der Wolf im Speicher

Eines Tages sah ein Fuchs einen Wolf und fragte:
"Du, Freund, wollen wir uns heute auch etwas Eßbares suchen, was wir uns in die Ecke des Magens stecken könnten?"
Der Wolf sagte:
"Du, Füchslein, hast etwas mehr gelernt, gehe auf irgendeinen Bauernhof und siehe nach, ob du etwas findest, was wir in der Nacht wegschleppen könnten."
Damit war das Gespräch zu Ende und beide gingen weg. Der Fuchs ging gutgelaunt ins Dorf und dachte:
"Ich werde ihm einen Prügel besorgen, der ihm sein Leben kostet."
Der Fuchs ging zu einem Bauernhof, schlich dort solange herum, bis er durch ein altes kaputtes Fenster heimlich ins Dreschzimmer springen konnte. Bei der Feuerstelle in einem Kessel sah er Seife und dachte:
"Siehe, da habe ich für den Wolf eine passende Speise. Wenn ich auch etwas für mich finden würde, wäre es schon ganz gut."
In einem Schrank erblickte der Fuchs einen gezupften Hahn. Das war für den Fuchs das ersehnte Glück. Er sprang durch das Fenster hinaus und lief in den Wald. Gleich begegnete er dem Wolf. Er erzählte, was für ein Glück er gehabt hatte und was für eine schöne Speise er vorgefunden hatte.
So gingen der Wolf und der Fuchs zusammen zum Bauernhof. Als sie angekommen waren, fingen sie an, hineinzuklettern. Aber was für ein Unglück! Das Fenster war zu klein, so daß der Wolf nur mit Hilfe des Fuchses hinein konnte. Der Fuchs vorne, der Wolf hinterher, gingen sie zum Seifenkessel und das Fressen begann. Der Fuchs tat, als würde er auch fressen, bald aber sagte er: "Ich habe Durst, ich will mich umsehen, ob ich irgendwo ein Tröpfchen Wasser bekomme, um meinen Durst zu stillen."
Selbst aber fing er an, beim Schrank den Hahn zu fressen.
Plötzlich fiel ein Teller auf die Erde, überall Klirren und Geklapper. Im Zimmer wachte der Bauer auf und kam sofort ins Dreschzimmer.
Inzwischen war der Fuchs schon aus dem Fenster hinausgeschlüpft, der Wolf konnte das wegen seiner Größe aber nicht tun. Der Bauer nahm aus einer Ecke eine Feuerzange und fing an, den Wolf zu prügeln.
Schließlich konnte dieser irgendwie aus der Tür hinaus, sein Körper schmerzte aber überall. Als er in den Wald lief, war er doch froh, daß er sich das Leben gerettet hatte.

21. Der Fuchs und der Wolf im Speicher. E 74327/9 < Harju-Madise, Kloostri, Rannaküla - Paul Friedemann (1925). - AT 41 - 10 Varianten.




Das Haus aus Eis

Es lebten in den alten Zeiten ein Schaf und ein Wolf. Das Schaf machte sich ein wollenes Haus, der Wolf aber baute sich ein Haus aus Eis. Es kam der Frühling. Das Haus des Wolfs schmolz, er konnte nirgendwo mehr schlafen.
Dann bat er das Schaf um Erlaubnis, sich in seinem Haus aufzuwärmen, sei es auch nur die vorderen Pfoten.
Das Schaf sagte, es sei unmöglich, der Wolf würde es doch auffressen.
Der Wolf fing wieder an:
"Ich fresse dich nicht auf! Laß mich nur meinen Kopf hinein stecken! Laß nur die Hälfte des Kopfes! Habe keine Angst, ich werde dich nicht auffressen!"
Er bat und bat, bis das Schaf ihn die Pfoten und die Hälfte des Kopfes herein stecken ließ. Da bat der Wolf weiter:
"Laß meine hinteren Pfoten auch hinein!"
Das Schaf antwortete:
"Ich kann nicht, du frißt mich auf!"
Der Wolf sagte:
"Ich fresse dich nicht auf! Laß mich nur meinen ganzen Kopf hineinstecken, Gevatterchen! Ich friere sehr. Laß die Hälfte meines Körpers hinein!"
So erlaubte das Schaf den Wolf, die Hälfte seines Körpers hereinzustecken, der Wolf aber sprang ganz herein.
Es kam schon der Abend. Das Schaf bereitete dem Wolf das Bett vor und sagte:
"Du kannst schon schlafengehen, ich kann so bald noch nicht kommen."
Der Wolf ging zu Bett, lag da einige Zeit, dann fing er an zu fragen:
"Gevatterchen, warum kommst du nicht schlafen?"
Das Schaf sagte:
"Ich kann noch nicht kommen, ich muß noch die Schüsselchen und Löffelchen spülen, das Haus kehren, die Löffel aufs Regal legen. Ich habe keine Zeit zu kommen."
Bald war das Schaf mit allen Arbeiten fertig. Es hörte den Wolf laut schnarchen, dieser schlief sehr tief. Das Schaf dachte - wohin jetzt schlafenzugehen. Es dachte einige Zeit und ging in die Leinkunkel.
Nachts wurde der Wolf wach und fing an, das Haus durchzusuchen, um das Schaf zu finden. Zuerst suchte er im Bett, da war es nicht. Dann schaute er unter das Bett, dort war es auch nicht. Der Wolf dachte, wenn ich es jetzt irgendwo finde, werde ich alles auf einmal auffressen. Er suchte und suchte, fand es aber nicht. Er ging wieder ins Bett.
Es kam der Morgen. Das Schaf kletterte aus der Leinkunkel hinaus und ging auf den Berg singen. Der Wolf wachte auch auf und ging aus; er dachte, daß das Schaf vielleicht irgendwo draußen schläft. Er sah es nirgendwo schlafen, hörte aber es auf dem Berg singen:
"Kii-kipst, koo-kopst!
Der Wolf wußte nicht, wo das Schaf nachts schlief.
Kii-kipst, koo-kopst!
Das Schaf schlief in der Leinkunkel.
Kii-kipst, koo-kopst!"
Der Wolf lachte und meinte, am nächsten Abend zu wissen, wohin das Schaf schlafengeht.
Es kam der zweite Abend. Das Schaf sagte dem Wolf:
"Geh schon schlafen."
Der Wolf fragte:
"Warum kommst du nicht?"
Das Schaf antwortete:
"Ich muß noch aufräumen, die Schüsseln und Löffel spülen, das Haus kehren. Ich kann noch nicht kommen. Geh du schon schlafen, ich komme nachher."
Bald hatte das Schaf alles fertig. Der Wolf schlief schon und hörte nichts mehr. Das Schaf dachte nach und beschloß, auf das Regal zu gehen.
In der Nacht kam der Wolf und ging zuerst zur Leinkunkel. Er dachte selbst, daß er nun das Schaf mit ganzen Knochen auffressen würde. Er ging zur Leinkunkel, wühlte dort und brachte alles durcheinander. Er sah, daß es dort kein Schaf gibt. Er suchte noch im Haus, aber fand nichts. Dann lief er noch hinaus, er dachte, vielleicht ist das Schaf draußen, fand es aber auch dort nicht. Er kam wieder und ging ins Bett. Er keuchte und schnaufte, war schon ganz hungrig. Er überlegte, wo das Schaf denn bloß sein kann, wenn es nicht in der Leinkunkel ist. Am Morgen stieg das Schaf vom Regal und ging auf den Berg singen. Der Wolf kam auch aus dem Bett und ging auf den Hof. Er sah das Schaf auf dem Berg hüpfen und singen:
"Kii-kipst, koo-kopst!
Der Wolf wußte nicht, wo das Schaf nachts schlief.
Kii-kipst, koo-kopst!
Das Schaf schlief auf dem Regal.
Kii-kipst, koo-kopst!"
Der Wolf war froh, weil er in der nächsten Nacht das Schaf sicherlich zu finden glaubte. Wie gut, daß du sagst, wo du schliefst! Der Wolf konnte nicht abwarten, bis die Nacht endlich kommt, war schon sehr hungrig.
Es kam der dritte Abend. Das Schaf sagte wieder dem Wolf, daß dieser schon schlafen gehen soll, es habe noch viel zu tun. Der Wolf war einige Zeit im Bett, dann fragte er, ob das Schaf schon bald kommt.
Das Schaf lehnte ab:
"Nein, ich kann noch nicht kommen. Ich muß noch den Tisch aufräumen, das Haus kehren, Holz in den Ofen legen. Ich kann noch nicht kommen."
Schon schlief der Wolf fest ein.
Das Schaf ging hinaus und dachte, wohin soll es nun schlafen gehen. Es dachte einige Zeit und ging in ein gebohrtes Loch. Selbst murmelte es, in dieser Stelle weiß der Wolf sicherlich nicht zu suchen.
Der Wolf wachte in der Nacht auf. Er konnte nicht mehr länger warten. Selbst überlegte er wieder leise: zwei Abende habe ich dich gesucht und nicht gefunden. Jetzt werde ich dich ertappen! Er ging zum Regal, schaute - sah das Schaf aber nicht.
Er durchsuchte alle Ecken, fand es aber nicht. Er lief zur Leinkunkel, er dachte, vielleicht ist das Schaf dort, es war aber nicht. Er riß die Kunkel so, daß sein Kopf zitterte. Das Schaf schaute aus seinem Loch hinaus und lachte. Das Herz des Wolfes war voll von Schmerzen. Er dachte und dachte, ging traurig wieder ins Bett. Er konnte aber nicht mehr einschlafen, so schmerzte ihm sein Herz. Er blieb bis zum Morgen wach.
Am Morgen paßte das Schaf auf, damit es unbemerkt aus dem Loch hinauskam. Es ging wieder auf den Berg singen:
"Kii-kipst, koo-kopst!
Das Schaf schlief im gebohrten Loch.
Kii-kipst, koo-kopst!"
Der Wolf schaute das Schaf auf dem Berg singen und hüpfen. Er selbst zeigte die Zähne, starrte das Schaf an und dachte: "In der vierten Nacht entkommst du mir nicht! Wie lange muß ich den Hunger leiden?"
Es kam der Abend und der Wolf wollte auf keinem Fall schlafen gehen. Er wollte schon sehr Schaffleisch. Das Schaf bereitete dem Wolf ein sanftes Bett vor und sagte, der Wolf solle schlafen gehen, er sei ja sehr müde. Der Wolf ging ins Bett und sagte, daß das Schlaf auch kommen soll:
"Hör doch schon auf zu arbeiten heute, laß einiges auch für morgen überbleiben."
Das Schaf erklärte: "Du, Gevatterchen, kennst du das Sprichwort: Es ist besser, am Abend zu spülen als am Morgen zu waschen."
Das Schaf spülte so lange die Löffel und vergeudete die Zeit, bis der Wolf einschlief. Dann dachte es, woh es ihm am besten wäre zu schlafen. Es dachte ein bißchen und ging in den Ofen schlafen.
In der Nacht wachte der Wolf auf und ging zum gebohrten Loch. Er schüttelte sich und sagte:
"Jetzt habe ich dich!" Er ging zum Loch und steckte seinen Kopf hinein. Er drückte solange, bis er ganz im Loch war. Dann sprang das Schaf schnell aus dem Ofen, schlug einen Propfen in das Loch, so daß der Wolf dort bleiben mußte.
Das Märchen ist zu Ende.

22. Das Haus aus Eis. S 74503/13 (12) < Setu, Järvesuu v., Tonja k. - Manni Vabarna < Anne Vabarna, geb. 1876 (1934). - AT 43 - 42 Varianten. Ein populäres Märchen bei den baltischen und slawischen Völkern, besonders beliebt in Setu. In Setu findet man relativ oft Kontaminationen mit anderen in dieser Gegend verbreiteten Typen AT 123, 126, 130 A.




Wie der Fuchs dem Wolf einen Pelzmantel nähte

"Du bist doch ein großer Herr," sagte der Fuchs dem Wolf, als sie im Wald trafen. "Du weißt, was du willst, du gehst, wohin du willst, und brauchst vor niemandem Angst zu haben. Du hast aber keinen Herrenpelz, du hast im Sommer sowie im Winter immer dieselbe graue Jacke an."
"Wer wird denn mir einen Pelzmantel nähen?" sagte der Wolf, "und woher werde ich den Stoff dafür bekommen?"
"Ich kann das machen," sagte der Fuchs, "bringe mir bloß die Pelze, fünf Schafspelze und sieben Lammpelze."
Der Wolf war einverstanden und versprach, alles zu bringen.
Der Fuchs aber hatte seine Kleinen in der Höhle und fraß mit ihnen zusammen alle Schafe auf, die der Wolf für den Pelzmantel brachte. Als alle fünf Schafe und sieben Lämmer da waren, fragte der Wolf, ob der Pelz schon bald fertig sei.
"Ojaa," antwortete der Fuchs, "der Pelz ist schon ziemlich fertig. Aber siehe, du bist doch ein richtiger Herr, man muß deinem Pelzmantel einen Kragen aus Otterpelz nähen. Deshalb sollst du mir noch diesen Otter bringen, der dort am Waldrand auf einem Hof wohnt."
Das sagte er deshalb, weil er hoffte, den Wolf loszuwerden, bevor der Betrug an den Tag kommt.
Der Wolf ging den Otter bringen, bekam aber von den Hausbewohnern einen solchen Prügel, daß er sich nur schwerlich in den Wald retten konnte, um dem Fuchs seine Geschichte zu klagen.
"Wenn wir keinen Otterpelz bekommen," sagte der Fuchs, "dann müssen wir mit einem Pferdepelz auskommen. Hier am Waldrand auf dem Feld ist ein Pferd angekettet. Versuche heimlich zum Pfahl zu schleichen, an dem die Kette hängt, ziehe ihn aus der Erde und hänge die Schlinge dir selbst um den Hals. Dann springe plötzlich auf und fange an, in den Wald zu laufen. Dann kommt das Pferd schon hinterher."
Der Wolf bat den Fuchs, daß dieser mitkäme, was der Fuchs natürlich auch sehr gern tat. Sie krochen heimlich zum Pfahl, der Fuchs zog den Pfahl aus der Erde und warf die Schlinge um den Hals des Wolfs:
"Onkel, jetzt springe!"
Der Onkel sprang und fing an, in den Wald zu laufen, das Pferd aber lief nach Hause und zog den Wolf mit.
Dem Wolf wurde die Kehle zugedrückt. Dort, zwischen den Haustoren blieb er, bis der Hausmann kam und ihn totschlug.
Die kleinen Füchslein aber waren schon so groß gewachsen, daß sie sich selbst Nahrung suchten.

23. Wie der Fuchs dem Wolf einen Pelzmantel nähte. H II 53, 205/7 (6) < Haljala - Kaarel Leetberg < Mai Smit (1896). - AT 102 + 47 A - Der Hund als Schuster, 16 Varianten + Der Wolf am Schwanz des Pferdes, 45 Varianten.




Der dumme Wolf

In alten Zeiten lebte ein Wolf. Dieser ging nach Rußland. Er fand auf dem Weg einen gesalzenen Schinken und einen Brotsack. Er schaute und roch den Schinken und dachte selbst dabei, wenn er dieses altes salziges Fleisch auffressen würde, würde er gleich einen furchtbaren Durst bekommen, so daß er sich kaputt trinken könnte. Es wäre besser, frisches Fleisch zu fressen. Dieses würde dem Bauch keinen Weh tun und es mangelt an ihm ja auch nicht.
Nicht weit von dieser Stelle gab es ein großes Dorf und in diesem Dorf eine Stute, die in der nächsten Tagen einen Fohlen zur Welt bringen sollte. Der Wolf ging zu der Stute und sagte:
"Ich werde dich auffressen."
Das Pferd erwiderte:
"Was wirst du davon bekommen, alter Freund, wenn du mich auffrißt. Ich, altes Tier, bin nur hartes Fleisch, das geht dir nicht einmal durch die Kehle durch. Lieber mache meinen Fuß wieder gesund, dann wirst du einen solchen Lohn bekommen, daß du mich im ganzen Leben nicht vergessen wirst.
Der Wolf kam näher, damit er sich den Fuß besser ansehen könnte - die Stute sagte, daß ihr hinterer Fuß krank sei. Da gab das Pferd ihm einen solchen Schlag auf den Kopf, daß er heulend weglief und in großen Schmerzen klagte:
"Au-au! Kein Wolf ist so dumm wie ich! Ich hätte das doch wissen sollen, daß von einem Wolf kein Arzt wird!"
Als der Wolf weiter ging, traf er mit zwei Schafböcken zusammen und sagte ihnen ganz stolz:
"Ich werde euch auffressen!"
Die Schafböcke erwiderten:
"Was wirst du davon bekommen, wenn du uns auffrißt; lieber versuche es, unser Freund zu werden. Wir sind königliche Landmesser, wir können dir ein gutes Grundstück ausmessen, auf dem du wie ein kleiner König leben kannst."
Der Wolf war mit diesem Angebot sehr zufrieden. Die Böcke erklärten weiter:
"Zuerst wollen wir die Breite des Grundstücks ausmessen. Wenn du denkst, daß es schon breit genug ist, dann sollst du rufen, dann werden wir die Grenze ziehen."
Nach diesem Gespräch fingen die Schafböcke an, einer in eine, der zweite in die andere Richtung zu laufen. Als sie schon in einiger Entfernung waren, rief der Wolf:
"Genug!"
Die Schafböcke kehrten um und fingen an zurückzulaufen, so schnell, wie sie nur konnten, und gaben dem Wolf - einer von der einer, der zweite von der anderen Seite - einen solchen Stoß, daß seine Knochen krachten. Danach liefen die beiden weg.
Der arme Wolf stöhnte:
"Au-au! Kein Wolf ist wahrscheinlich so dumm wie ich! Ich hätte das doch wissen sollen, daß ein Wolf kein Grundstück braucht!"
Einige Zeit später begegnete er einigen Ziegen und sagte ihnen:
"Ich werde euch auffressen!"
Die Ziegen antworteten:
"Was wirst du bloß davon bekommen! Du sollst lieber unser Pastor werden! Dann hast du endlich einen ehrlichen Beruf und verdienst für wenig Mühe einen guten Lohn. Du wirst keine andere Arbeit haben, außer daß du uns singst."
Der Wolf nahm seine neue Arbeit an, und fing an zu heulen. Dann sah er die Dorfleute mit Pfählen in der Hand näher laufen und fragte:
"Was für Amtsleute sind diese da?"
Die Ziegen erklärten:
"Das sind die Dorfleute mit Kerzen."
Der arme Wolf wartete, bis die Leute ankamen und bekam einen solchen Prügel, daß er nur mühsam sein Leben retten konnte. Selbst klagte er:
"Au-au! Kein Wolf ist wahrscheinlich so dumm wie ich! Kann denn aus einem Wolf ein Pastor werden?!"
Als schon viel Zeit vergangen war, kam der Wolf zufällig zu einem Schneider und bedrohte, diesen aufzufressen. Der Schneider sagte:
"Laß mich lieber - mageres Männchen wie ich bin, ich werde dir lieber einen warmen Pelzmantel nähen, dann brauchst du auch vor der strengsten Kälte keine Angst mehr zu haben."
Der Wolf war damit zufrieden und der Schneider fing an, Maß zu nehmen. Da der Wolf aber gar nicht ruhig auf der Stelle bleiben konnte, sagte der Schneider:
"So, alter Freund, kann ich kein Maß nehmen. Warte, ich binde dich am Schwanz an den Baum, dann habe ich es gut, mit dem Meßstock zu messen."
Der Wolf hatte nichts dagegen. Dann brach der Schneider aus dem Wald einen guten Knüppel und prügelte den Wolf solange, bis dieser vor Schmerzen seinen Schwanz abriß und stöhnend in den Wald lief. Da klagte er wieder allein:
"Au-au! Kein Wolf ist so dumm wie ich! Ein Wolf braucht doch keinen Pelzmantel!"
Dann rief der Wolf viele andere Wölfe zusammen und sie gingen zurück, um den Schneider aufzufressen. Dieser scheuchte noch in der letzten Minute die wütenden Wölfe ab und konnte auf einen Baum hochklettern. Die Wölfe fingen an, die Wurzeln des Baumes zu fressen, um den Baum auf die Seite zu fällen. Der Schneider begriff, was sie vor hatten, und sagte:
"Sei es mit den anderen Wölfen, wie es ist, aber diesem mit dem kurzen Schwanz, den ich schon einen Pelzmantel nähte, will ich noch einen zweiten machen!"
Darauf lief der kurzschwänzige Wolf weg und lief solange, bis er auf die Erde fiel und starb. Alle anderen Wölfe gingen ihren Weg und der arme Schneider kam aus der großen Not mit dem Leben aus.

24. Der dumme Wolf. H II 4, 526/8 (3) < Setu - Joosep Hurt (1886). - AT 47 B + 122 K* + 122 C + 162* + 121 - Der Preis des Fohlens, 31 Varianten + Der Wolf und der Bock, 48 t. + Das Schaf verlockt den Wolf zu singen, 11 Varianten + Der Mann bestraft den Wolf, 47 Varianten + Die Wölfe einander auf dem Rücken, 44 Varianten. Ein typisches kontaminiertes Märchen über die mißglückten Abenteuer des Wolfs bei Haustieren, Waldtieren und Menschen.




Der kranke Löwe

Vor langer Zeit, als alle wilde Tiere noch sprechen konnten, machten sie sich den Löwen zum König.
Einmal wurde der König krank. Alle Tiere kamen ihn besuchen, nur der Fuchs nicht.
Der Wolf war auf den Fuchs neidisch und wollte ihn in Schwierigkeiten bringen. Jetzt meinte er, die richtige Zeit sei gekommen, um den Fuchs anzuklagen.
Er ging zum Löwen und sprach:
"Alle Ihre Untertanen sind dankbar und kommen Sie besuchen, nur der Fuchs nicht. Er lacht über sie und ist spottet Ihr Krankheit. Ich weiß wohl, daß er Zeit genug hat, das alles kommt nur aus seiner Hartnäckigkeit und seinem Stolz."
Der Wolf hatte es gut zu lügen, da er wußte, daß der Fuchs nicht in der Nähe war.
Als der Wolf dort gerade log, kam der Fuchs hinter die Tür und hörte alles, was der Wolf gesagt hatte.
Zum Schluß, als der Fuchs den Löwen besuchte, brüllte dieser und fragte:
"Warum bist du nicht früher gekommen?"
Der Fuchs, der ein kluges und schlaues Tier war, antwortete:
"Ehrlicher König! Der Grund, warum ich nicht früher kam, war nicht der Übermut oder die Hartnäckigkeit, sondern die große Sorge um ihre Gesundheit. Drei Tage bin ich herumgelaufen, habe alle Ärzte befragt, bis ich endlich herausgefunden habe, wie man Sie wieder gesund machen kann."
Der Löwe freute sich sehr und fragte gleich:
"Sprich! Was für eine Arznei ist das?"
"Alle Ärzte, die ich besucht habe, hatten nur eine Lehre. Wenn Sie ihre Brust in einer warmen Wolfshaut verwöhnen können, ist das für ihre Gesundheit die beste Arznei."
Der Löwe sagte:
"Diese Arznei will ich gleich anfangen zu verwenden, da der Wolf hier gleich in der Nähe ist."
Der Löwe gab dem Bären den Befehl, den Wolf zu schlachten, die Haut schön sauber abzuziehen und ihm um die Brust zu binden.
Der Bär nahm den Wolf fest, zog die Haut ab.
Als der Wolf da blutend auf der Erde lag, sagte der Fuchs:
"Ach, Herr Wolf, hast du aber einen schönen roten Mantel! Was mußtest du darauf bezahlen, als du ihn mit dem grauen wechseltest?"

25. Der kranke Löwe. E 12318/21 < Ambla, Jootma - Joosep Neublau < H. Lees (1894). - AT 50 - Der kranke Löwe, 12 Varianten. In Estland kennt man eigentlich keine Löwen. Die Löwenmärchen sind durch gedruckte Quellen vermittelt worden.




Die Spuren in die Höhle des Löwen

Als der Löwe schon alt wurde und sich nicht mehr Nahrung bringen konnte, kroch er in ein großes Loch. Wer dort in der Nähe vorbeiging, den lud er zu Gast ein. Er sagte:
"Ich bin krank," und entführte auf diese Weise viele Vögel zu sich und nährte sich lange Zeit durch seinen Betrug.
Der Fuchs, der schon immer betrügerisch und schlau gewesen war, kam auch einmal zum Loch, um herauszufinden, wer dort steckt.
Dann sagte der Löwe:
"Was denkst du, daß du nicht hereinkommst."
Der Fuchs sagte:
"Ich sehe, daß hier viele Spure hineingegangen sind, aber nur sehr wenige wieder herausgekommen sind. Diese Spuren schrecken mich sehr ab."

26. Die Spuren in die Höhle des Löwen. ÕES EK 101, 335 (1) < Pärnu - Maddis Sitam (1834). - AT 50 A - 9 Varianten. Der Text stammt aus einem Konfirmationsbuch, hier aus der Handschrift von J. H. Rosenplänter. Das Sujet kennt man seit der Antike, in Estland vor allem durch Lehrbücher und Kalender seit Willmann (1782).




Der Löwe und andere wilde Tiere

Der Löwe, der unter den anderen Tieren der stärkste war, ging zusammen mit dem Bären, dem Wolf und dem Luchs auf Jagd. Als sie so viele Tiere gejagt hatten, daß sie die Beute schon teilen wollten, sagte der Löwe:
"Der erste Teil gehört mir, weil ich zusammen mit euch gejagt habe; der zweite Teil gehört mir, weil ich euer König bin; der dritte Teil auch, weil ich der stärkste bin und viel mehr gearbeitet habe und viel mehr gelaufen bin. Für diesen vierten Teil wollen wir kämpfen, wer gewinnt, der soll ihn bekommen."
So bekam er alle Teile selbst, weil niemand den Mut hatte, gegen ihn zu treten.
Ein anderes Mal ging der Löwe zusammen mit dem Hund und dem Fuchs hinaus. Als sie einen Hirsch erlegt hatten, der geteilt werden mußte, befahl der Löwe dem Hund, die Austeilung vorzunehmen.
Dieser gab dem Löwen einen Teil, dem Fuchs einen Teil und nahm sich selbst einen Teil.
Der Löwe war aber damit nicht zufrieden und prügelte den Hund mit seiner Pfote solange, bis es genug war, und befahl dem Fuchs zu teilen.
Der Fuchs tat alle drei Teile zusammen und gab dem Löwen.
Dann sagte der Löwe lachend:
"Wer hat dir gelehrt, so zu teilen?"
Der Fuchs erwiderte:
"Derjenige, der hier mit dem roten Pelz auf der Erde liegt."

27. Der Löwe und andere wilde Tiere. H III 23, 724/5 (5) < Vigala - Mihkel Aitsam (1895). - AT 51 - Der Löwenanteil, 14 Varianten. (Siehe die vorige Anmerkung.)




Die Geschichte von dem Löwen, dem Bären, dem Wolf und dem Fuchs

Das passierte in einer sehr alten Zeit, als alle Tiere noch sprechen konnten. Dann lud der Löwe den König der Tiere, den Bären, ein. Als der Bär eintrat, fragte der Löwe:
"Kannst du hier auch etwas riechen?"
Der Bär sagte, er fühle den Gestank der Leichen und tadelte den Löwen dafür, daß dieser die anderen Tiere schlachtet.
Als der Löwe das gehört hatte, riß er den Bären auf einmal entzwei.
Als der Löwe jetzt den Wolf einlud, antwortete dieser auf die Frage des Löwen, daß es dort sehr gut rieche. Aber der Löwe zerriß auch den Wolf. Als er dann den Fuchs einlud, fragte er diesen:
"Fühlst du dich hier auch gut?"
Der Fuchs als ein schlaues Tier aber antwortete:
"Lieber König, ich kann nichts antworten. Als ich am Morgen von zu Hause kam, lag ein dicker Tau auf der Erde, dieser schlug mir so in die Nase, daß ich nichts riechen kann."
Der Löwe lachte und sagte:
"Einen Schlaukopf kann ich nicht angreifen. Gehe deines Weges!"
Der Fuchs freute sich: alle anderen wurden aufgefressen, nur er konnte sich wegen seiner Schlauheit retten. Er lief nach Hause und erzählte auch anderen Tieren, wie er den Löwen betrogen hatte.

28. Die Geschichte von dem Löwen, dem Bären, dem Wolf und dem Fuchs. S 51387/8 (1) < Setu, Mäe v., Võõpsu k. < Võporsova k. < Varesmäe k. - Nikolai Sõrmus < Marie Kütte (1929). - AT 51 A - Der schlechte Geruch, 10 Varianten.




Der Fuchs als Fischer

Der Fuchs war in den alten Zeiten ein sehr schlaues Tier. Gleichgültig, was für eine Arbeit er vornahm, doch konnte er sich selbst davon Nutzen bringen.
Einmal befahl der Löwe dem Fuchs, Fischer zu werden. Er selbst dachte:
"Bei diesem Beruf wird er schon vor Hunger sterben!"
Der Fuchs ging zum Fluß. Er nahm sich einen alten Mann zum Helfer, der mit dem Fischnetz angelte. Der Fuchs und der Alte selbst aßen zusammen Fische.
Einmal kam der Löwe, um zu sehen, wie es dem Fuchs geht. Der Fuchs briet gerade Fische. Es brannte ein großes Feuer; auf dem Feuer war aber eine Pfanne, auf der Pfanne - Fische.
Als der Fuchs den Löwen sah, fing er an, mit gutem Appetit Fische zu fressen. Der Löwe sah sich das mit wässrigem Mund an. Zum Schluß sagte er mißlaunisch:
"Dieser Schurke frißt immer Fische und ich, Armer, kann nicht einmal zum Festtisch Fische haben! Ach, du Schurke!"
So ging er weg.

29. Der Fuchs als Fischer. E 36391 (18) Kadrina - A. C. Kivi (1898) - 1 Variante.




Reineke vor Gericht

Der Löwe soll ja der König aller Tiere sein. Der Fuchs aber war ein Schelm und beging allmögliche böse Taten. Selbst konnte er schnell laufen, so diente er überall als Sendbote. Einmal wurde ihm gesagt:
"Geh und hole den Hasen hierher!"
Der Fuchs ging und zerriß den Hasen. Dann ging er zurück und sagte, der Hase wolle nicht kommen und widersetze sich dem Befehl.
Dann schickte der Löwe jemanden anderen. Dieser ging, aber der Fuchs hatte den Hasen schon zerrissen. Dann wurde dem König gesagt, daß der Fuchs den Hasen schon totgebissen hatte und der Hase deshalb nicht mehr kommen kann.
Dann wurde der Fuchs geholt: "Komm, du hast den Hasen zerrissen." Nein, er wisse nichts, und so ging er wieder weg. Es wurde ihm ein neuer Befehl geschickt, daß er kommen soll, weil er trotzdem als Verbrecher beschuldigt werde. Der Fuchs ging nicht.
Es kam noch ein neuer Befehl. Dann ging er endlich, hatte aber seinen Kopf in ein Sahnefaß gesteckt, der Kopf war mit Sahne beschmiert, als er sagte, er sei so krank, daß er hätte gar nicht früher kommen können - der König solle das ihm vergeben. Der König aber hatte schon verstanden, daß der Fuchs log.
Der Kopf war gar nicht eitrig - er hatte gesagt, sein Kopf eitere! Dein Kopf ist doch mit Sahne beschmiert, du warst an Sahnefässern der Dorffrauen! So wurde der Fuchs wieder geprügelt.

30. Reineke vor Gericht. RKM II 156, 568 (22) + RKM Mgn II 71 < Tori, Oreküla, Kellame t. - Pille Kippar < Liisa Kümmel, 75 J. (1963). - AT 53 - 5 Varianten. Unter estnischen Aufschreibungen gibt es nur fragmentare und kontaminierte Texte.




Wie die Elster bunt wurde

Eine Elster hatte im Wald an einer großen Erle ihr Nest. Das hatte ein schlauer Fuchs sich schon vor langer Zeit gemerkt. Er trieb sich im Gebüsch herum und überlegte, wie er zu der leckeren Speise gelangen könnte. Fällen konnte er die Erle nicht und hochzuklettern war es ihm auch nicht möglich.
Zum Schluß dachte er einen guten Rat gefunden zu haben. Stolzen Schrittes kam er zu der Erle und lachte sich in den Bart:
"Es ist leicht, einen Dummkopf zu betrügen!"
Er wartete, bis die alte Elster zum Nest flog, dann trat er hochmütig unter die Erle, schlug mit seinem Schwanz ein paar Mal gegen den Stamm und sagte:
"Du, Zwitscherer, wenn du einen deiner Kinder mir nicht zum Stiefsohn gibst, werde ich die Erle fällen und das ganze Nest leer fressen!"
Die Elster war in der Klemme. Sie wußte wohl, was der Fuchs mit ihrem Sohn vorhatte, wenn er diesen sich zum Stiefsohn wollte. Wenn sie es aber zuließe, daß er die Erle fällt und alle Kinder auffrißt, wäre der Schaden noch größer. So warf sie lieber einen Kleinen aus dem Nest.
Der Fuchs ging mit dem leckeren Bissen unter einen Busch, fraß ihn auf und ging wieder zu der Erle. Er schlug mit seinem Schwanz ein paar Mal gegen die Erle und sagte wieder:
"Du, Zwitscherer! Gib mir einen Sohn zum Stiefsohn! Wenn nicht, werde ich die Erle fällen und alles auffressen!"
Selbst schlug sie mit seinem Schwanz gegen den Stamm, als möchte er tatsächlich die Erle fällen.
Die Elster warf - obwohl in Herzschmerzen - wieder ein Kind aus dem Nest. Auch dieses fraß der Fuchs auf.
Was jetzt tun? So kann ja der Fuchs alle Kleinen auffressen. Es war schwer, einen guten Rat zu finden.
"Wenn ich aber nicht gebe," dachte die Elster vor sich hin, "fällt er die Erle und frißt trotzdem meine Kleinen auf."
Er fragte einen vorbeifliegenden Raben um Rat. Der Rabe begriff schnell, worum es ging und sagte:
"Wenn er wiederkommt, dann frage, daß er seine Axt zeigen soll - er kann doch die Erle nicht mit seinem Schwanz fällen."
Bald kam der Fuchs, schlug mit seinem Schwanz ein paar Mal gegen den Stamm und sagte:
"Gib ein Kind her! Oder ich werde die Erle fällen und alle auffressen!"
"Zeige, wo deine Axt ist," versetzte die Elster schnippisch, "du kannst den Baum doch nicht mit deinem Schwanz fällen."
"Das hat dir der Dorfsknecht gesagt! Das hat dir der Dorfsknecht gesagt!" schrie der Fuchs wütend. "Du wärest selbst nicht so klug gewesen! - Ich werde dich noch fangen!" murmelte er leise und ging weg.
Einige Zeit später flog die Elster ihren übriggebliebenen drei Kleinen Nahrung suchend über das Feld. Da sieht sie auf der Stelle eines Leinensamenhaufens den Fuchs mit ausgestreckten Füßen und weißen vorstehenden Augen tot liegen.
"Warte, du Schelm!" rief die Elster. "Vor kurzer Zeit hast du von mir zwei Kleinen zur Beute bekommen, jetzt liegst du schon hier tot. Ich will deine Augen auspicken!"
Er flog auf die Erde und wollte mit den Augen des Fuchses anfangen, als plötzlich der Fuchs aufsprang und die Elster festnahm. Die Elster bat um Versöhnung und Erbarmung, aber umsonst. Der Fuchs zupfte schon ihre Federn, da diese den Geschmack der schönen Speise hätten verderben können. Es waren schon viele Federn ausgezupft, als der Elster ein guter Rettungsgedanke einfiel. Er sagte:
"Meine Eltern haben das Fleisch nie ohne Salz gegessen. Sie haben das Fleisch immer zuerst für ein paar Tage eingesalzen."
"Ich würde dasselbe tun, wenn ich ein Faß hätte. Jetzt muß ich aber mageres Fleisch fressen," sagte der Fuchs.
"Ich weiß, wo ein Faß ist," sagte die Elster. "Hier in der Nähe auf der Dorfstraße liegt eine Radnabe; in dieser kann man ganz gut Fleisch einsalzen."
Der Fuchs wollte auch einmal gesalzenes Fleisch bekommen. Er hatte in seinem ganzen Leben nicht einmal gesalzenes Fleisch probiert. Er band die Elster mit Stroh fest, für solange, bis er die Radnabe holte. Mit großer Freude salzte er das Fleisch in der Radnabe lebendig ein. Die Elster aber flog durch das andere Ende hinaus, hoch in die Luft und rief spöttisch:
"Gib mehr Salz! Gib mehr Salz! Da hast du gesalzenes Fleisch!"
Die Elster war früher schwarz. Nun aber wuchsen an die Stellen der ausgezupften Federn weiße Federn. Was ungezupft blieb, blieb schwarz.
So wurde die schwarze Elster bunt. Alle ihre Nachfolger und Enkel und so weiter tragen zur Erinnerung an die glückliche Rettung ihrer Urmutter bunte Federn.

31. Wie die Elster bunt wurde. H III 6, 9/12, 16, 13 (1) < Helme - J. Veri (1889). - AT 56 A + 122 D* - Des Fuchses Gabelstiel, 31 Varianten + Der Vogel in der Radnabe, 1 Variante. In dieser Form einzigartig. AT 56 A kann am Anfang verschiedener Kontaminationen stehen (+1*; + 122 A; + 122 B*; + 227*; + 170 + 158 + 136 A*). Weit verbreitet, außerhalb von Europa.




Die Katze fängt den Vogel

Ein Mann hatte eine kluge Katze, die sehr gut der Beute auflauern konnte. Einmal fing die Katze einen Hasen und brachte ihn lebendig nach Hause. Als die Katze mit dem Hasen auf den Dachboden kletterte, schrie der Hase.
Die Hausbewohner hörten die seltsame Stimme und stiegen auf den Dachboden, um nachzusehen. Sie fanden die Katze auf einen Hasen knurren.
Diese Katze war so schlau. Sie ging auf das weite Feld, legte sich auf die Erde, der Schwanz ausgestreckt, alle Vier ausgestreckt, die Ohren gesenkt. Die Augen drückte sie zu und bewegte sich kaum. So stellte sie sich wie ein altes Aas, das schon längst auf die Erde geworfen worden ist.
Die Krähen dachten, die Katze sei für sie gebracht worden und flogen eine nach der anderen das Aas fressen. So nahm die Katze sie der Reihe nach fest.

32. Die Katze fängt den Vogel. E 1914/9 (31) < Risti, Nõva - Juhan Holts (1892). AT 56 A* - der einzige Text von diesem Typus.




Der Käse des Fuchses

Ein Rabe saß am Baum und hatte ein großes Stück Käse im Schnabel. Der Fuchs ging und sah, daß dieser etwas im Schnabel hatte. Er dachte gleich, daß er dieses Ding sich gewinnen wird. Er ging unter dem Baum durch und sagte:
"Ach du, goldener Vogel, bist du aber schön! Wie schön kann denn bloß noch deine Stimme sein! Könnte ich mir nur noch auch die anhören!"
Der Rabe fühlte sich gleich geschmeichelt, daß er so schön sei, und fing an, seine Stimme zu zeigen. Er krächzte: "Raaks! Raaks!" und das Käsestück fiel ihm vom Schnabel auf die Erde. Der Fuchs fraß den Käse auf und lachte noch:
"Selbst wie ein schwarzes Gespenst und hofft auch, daß er schön ist!"
Der Rabe hatte es völlig vergessen, daß ihm, wenn er den Schnabel öffnet, das Käsestück herunterfallen wird.

33. Der Käse des Fuchses. RKM II 156, 574 (28) und RKM Mgn II 866 < Tori, Oreküla < Suure-Jaani - Pille Kippar und Arvo Krikmann < Liisa Kümmel, 75 J. (1963). - AT 57 - Der Käse der Krähe, 36 Varianten. Populär in der mündlichen Tradition sowie in Druckschriften seit Willmann (1782).




Der Fuchs und der Kranich

Der Fuchs, reicher Herr,
machte sich ein großes Fest.
Lud den Kranich ein,
den Langschnabel zu Gast.
Der Fuchs legte Kuchen auf einen Teller und alle Speisen auf flache Teller und sagte dabei immer wieder:
"Laß dir doch gut schmecken! Laß dir doch gut schmecken!"
Der Kranich mit seinem langen Schnabel konnte aber so nicht fressen. Er konnte aus dem flachen Teller keineswegs etwas nehmen.
An einem anderen Tag machte der Kranich ein Fest und lud den Fuchs ein. Er goß alle Speisen in Gläser und Getränke in große Flaschen. Der Kranich selbst fraß immerzu und sagte dem Fuchs:
"Laß dir doch gut schmecken! Laß dir doch gut schmecken!"
Der Fuchs sah alles und leckte sich das Maul, konnte aber nicht einmal ein Krümelchen bekommen. So ging er hungrig zurück nach Hause.

34. Der Fuchs und der Kranich. RKM, Mgn II 867 (b) < Tori, Oreküla < Suure-Jaani - Pille Kippar < Liisa Kümmel, 75 J. (1963). - AT 60 - Die gegenseitige Einladung, 20 Varianten. Ein in der ganzen Welt bekanntes Fabelsujet, in Estland ein beliebter Text in Schulbüchern (seit 1782).




Das Krähen mit geschlossenen Augen

Ein junger Hahn krähte am Zaun. Es kam ein Fuchs zu ihm und sagte:
"Du kannst wohl gut singen, aber dein Vater war ein noch besser Singer, du! Er sang manchmal sogar mit geschlossenen Augen."
Der Hahn sagte:
"Ich kann auch so singen."
Er drückte seine Augen zu und jauchzte. Da schnappte der Fuchs ihn aber an den Hals und fraß auf.

35. Das Krähen mit geschlossenen Augen. H II 33, 515 (4) < Hanila > Kaunas - Priidik Einbluht. - AT 61 - 3 Varianten.

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